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Im Saal des damaligen „Hotels Deutsches Haus“ in Lohne (2009) standen zahlreiche Gegenstände, und auch der Aufbau der Einrichtung ist spezifisch. Wie die Dinge und deren Bedeutungen zusammenhängen, erforscht das Projekt (Stadtmedienarchiv Lohne)
Im Saal des damaligen „Hotels Deutsches Haus“ in Lohne (2009) standen zahlreiche Gegenstände, und auch der Aufbau der Einrichtung ist spezifisch. Wie die Dinge und deren Bedeutungen zusammenhängen, erforscht das Projekt (Stadtmedienarchiv Lohne)

Pressemitteilung -

Alltagskultur in Niedersachsen: Innovatives Forschungsprojekt an der Universität Vechta zur digitalen Erschließung von Gaststätten mit Saalbetrieb startet

An vielen Straßenkreuzungen im ländlichen Niedersachsen begegnet man den Schildern, auf denen „Saal“ zu lesen ist. Hier werden und wurden lokale sowie regionale Brauch- und Festkulturen gelebt und strukturiert. Für die Vergangenheit ist die Bedeutung der Säle gut dokumentiert, über die Gegenwart ist allerdings wenig bekannt. Ein neues Projekt des Arbeitsbereichs Digital Humanities aus den Kulturwissenschaften an der Universität Vechta untersucht nun zusammen mit dem Landschaftsverband Osnabrücker Land, dem Museumsdorf Cloppenburg und dem Museum Industriekultur Osnabrück in den kommenden drei Jahren die Transformationsprozesse dieser Saalbetriebe. Das Konzept des Projekts ist neu: In den Sälen zeugen vielfältige Objekte von ihrer aktuellen und früheren Nutzung. Diese werden nun nach wissenschaftlichen Kriterien erschlossen und in einer Datenbank gesammelt, aus der eine Online-Darstellung wächst. Nach internationalen Standards bearbeitet, können die Erzählungen und Erinnerungen aus den Sälen bald mit anderen Überlieferungen weltweit verbunden werden. Durch ausführliche Interviews mit Beteiligten werden die Dinge mit den entsprechenden Kontexten verknüpft, und diese Erzählungen dokumentiert. Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) stellt hierfür rund 250.000 Euro zur Verfügung.

Säle waren und sind zentrale Anlaufpunkte – es wird gefeiert, getanzt, gesungen, geredet, abgestimmt, Theater gespielt, Vereinsversammlungen abgehalten, Politik gemacht und der neueste Film gezeigt; es sind multifunktionale Vorzeigeräume. Die Anlässe sind stets denkwürdig, werden durch Fotos dokumentiert und auch von den lokalen oder regionalen Medien aufgegriffen. Sie haben sich ins örtliche Gedächtnis eingeschrieben und wurden Teil von Orts-Chroniken und Fotoalben, Teil von Erzählungen und kollektivem Erinnern. Das Handeln zeigt sich in den Objekten: Einrichtungsgegenstände, Fotos und auch die Gebäude selbst geben Anlass zum Erzählen. Bilder, Menükarten und Geschirr oder Festprogramme zeigen die Vielfalt der in den Sälen gestalteten Alltagskultur.

Diese große Vielzahl an Quellen überführt das Projektteam in digitale Strukturen. Die Forschungsergebnisse – etwa zum Vergleich der Entwicklung unterschiedlicher Säle und ihrer Nutzung – werden einfacher und langfristig nachnutzbar, indem sie im Kulturerbe-Portal Niedersachsen gesichert werden. Dementsprechend wird das Projekt in der Förderlinie „Pro*Niedersachsen – Kulturelles Erbe – Sammlungen und Objekte“ gefördert, die sich auf die bisher noch nicht digital verfügbaren Überlieferungen des kulturellen Erbes in Niedersachsen konzentriert. Objekte, die nicht in den Sälen verbleiben können, werden ins Museumsdorf Cloppenburg überführt.

„Die Kooperation mit dem Landschaftsverband Osnabrücker Land ist neben den anderen Partnern sehr gewinnbringend“, sagt Prof.in Dr.in Lina Franken, denn die Geschäftsführerin Dr.in Susanne Tauss bringe langjährige Vorarbeiten ein. „Dass sie mit dieser Projektidee an mich herangetreten ist, war ein absoluter Glücksfall. Das spannende Thema ist hochaktuell, denn die Transformation ländlicher Räume ist akut und braucht dringend mehr Aufmerksamkeit.“ Die Saalbetriebe seien dafür ein zentraler Indikator. „Durch die Kombination unserer Wissensbestände um die lokalen Strukturen und die digitalen Möglichkeiten der Erforschung sind wir ideal aufgestellt“, so die Professorin für Digital Humanities an der Universität Vechta.

Tauss: „Die Landschaft der Saalbetriebe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt: Man feiert häufig individueller oder im Gegenteil gleich mit dem ganz großen Event. Das Gaststättensterben setzte schon lang vor den Coronajahren ein, häufig erwiesen sie sich als nicht mehr rentabel. Oft stehen Gasthäuser mit Saalbetrieb nur noch wie verloren an der Landstraße, die Rollläden sind geschlossen, vor dem Eingang sammelt sich Laub. Im schlimmsten Fall hat schon der Bagger alles weggeräumt; denn es gibt kaum eine Woche, in der nicht von Schließungen oder Abrissen berichtet wird. Doch es gibt auch positive Gegenbeispiele: Säle überlebten, weil sie regelmäßig aktuellen Anforderungen angepasst wurden und werden, weil ein neuer Pächter gefunden wurde, der Familienbetrieb fortgeführt wird oder engagierte Vereine keine Scheu vor aufwendigen Baumaßnahmen haben und mit vereinten Kräften aus Gasthaus und Saal ein Dorfgemeinschaftshaus erstehen lassen.“

Das Projektteam an der Universität Vechta bestehet aus den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Lucia Sunder-Plassmann M.A. und Sabina Mollenhauer M.A. sowie der Leitung Prof.in Dr.in Lina Franken. Mit einer breit angelegten Vorrecherche, die Dr.in Susanne Tauss mit Unterstützung der regionalen Heimatbünde im Vorfeld erstellt hat, steht der Projektgruppe wertvolles Ausgangsmaterial und Überblickswissen zu den Sälen in der Region zur Verfügung; Tauss begleitet das Projekt beratend. Die Forschung konzentriert sich exemplarisch auf ausgewählte Saalbetriebe im Osnabrücker Land, insbesondere solche, die sich derzeit im Um- oder Aufbruch befinden. Zu den Projektergebnissen wird im Laufe des Projektes weiter berichtet werden.

Ansprechperson: Universitätsprofessorin Dr. Lina Franken - https://www.uni-vechta.de/kulturwissenschaften/lehrende/franken-lina

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