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Festakt | Höffmann-Wissenschaftspreis 2022 für Prof.in Dr.in Yesim Erim

Pressemitteilung -

Festakt | Höffmann-Wissenschaftspreis 2022 für Prof.in Dr.in Yesim Erim

Prof.in Dr.in Yesim Erim ist die Höffmann-Wissenschaftspreisträgerin 2022. Die Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung am Uniklinikum Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat den mit 10.000 Euro dotierten Preis unter anderem für ihre interdisziplinäre Grundlagen- und Anwendungsforschung zur interkulturellen Psychotherapie und gesundheitlichen Versorgung von Menschen anderer Kulturkreise erhalten. Das Vechtaer Unternehmen Höffmann-Reisen stiftet die Auszeichnung jährlich für außergewöhnliche Arbeit im Themenfeld „interkulturelle Kompetenz“. Bei dem entsprechenden Festakt am Montag, 28. November, im Musiksaal der Universität Vechta sprach Prof.in Dr.in Luise Reddemann – unter anderem Entwicklerin der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT) – die Laudatio.

„Wir vergeben mit dem heutigen Festakt zum 11. Mal den Höffmann-Wissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz an der Universität Vechta“, sagte Prof.in Dr.in Verena Pietzner in ihrem Grußwort. Der Dank gelte dafür der stiftenden Höffmann-Reisen GmbH. „Es ist mir eine besondere Freude, dass wir Sie, Frau Professorin Erim, mit dem Preis auszeichnen dürfen und damit ein Statement für Interkulturelle Kompetenz setzen“, so die Universitätspräsidentin. Mit ihr werde eine herausragende Wissenschaftlerin ausgezeichnet, die mit ihrer Forschung zur klinischen interkulturellen Psychotherapie und einem unermüdlichen Einsatz zum gegenseitigen interkulturellen Verständnis beitrage. Ihre Arbeit mache die Bedürfnisse kulturell diverser Gruppen sichtbar und fruchtbar für die ärztliche Behandlung, sagte Prof.in Dr.in Verena Pietzner.

Interkulturelle Kompetenz sei unersetzlich, sagte Laudatorin Prof.in Dr.in Luise Reddemann. Besonders „in einer Arbeitswelt, in welcher Konflikte und tiefergehende Schwierigkeiten wenig mitgedacht werden.“ Die meisten Lehrenden, welche sowohl Prof.in Dr.in Yesim Erim als auch sie selbst geprägt hätten, seien nach ihrer Wahrnehmung wenig offen für das Thema des Interkulturellen, sagte Reddemann. „Die Psychoanalyse, die wir in den 80er- und 90er-Jahre gelernt haben, war da auch keine Vorreiterin.“

Interkulturelle Kompetenz in Handlungsfeldern wie der Psychotherapie mitzudenken, würde sich mittlerweile zunehmend durchsetzen. Dies sei aber ein langer Weg gewesen, meint die Wissenschaftlerin, welche die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie entwickelt hat. Prof.in Dr.in Yesim Erim habe hier viel geleistet. „Sie weisen immer wieder darauf hin, dass die psychotherapeutische Arbeit mit Migranten und Migrantinnen deren Lebenssituation nicht außer Acht lassen darf“, da diese Gruppe oft von sozialen Benachteiligungen betroffen sei und so unter anderem vom Gesundheitssystem ausgeschlossen würde. Es gehe unter anderem um kultursensitive Sprache in der Psychotherapie und ihres Erachtens auch um das Ernstnehmen des Eides nach Hippokrates beziehungsweise des daraus resultierenden Genfer Ärztegelöbnisses, führte Reddemann aus. Dort heißt es: „Bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten werde ich keinen Unterschied machen weder nach Religion, Nationalität, Rasse noch nach Parteizugehörigkeit oder sozialer Stellung“. „Was in diesem Gelöbnis nicht zur Sprache kommt, ist, dass Heilkundige erst dann keine ethisch problematischen Unterschiede machen werden, wenn sie genügend Offenheit und – wenn möglich – Kenntnisse über andere Arten des ,in der Welt Seins‘ haben“, sagte die Laudatorin. „Und das muss gelernt werden. Daran arbeiten Sie, liebe Frau Erim, intensiv mit. Respekt und die Bereitschaft, eigene Wertemuster in Frage zu stellen, sind die Voraussetzungen für das Entstehen stabiler therapeutischer Beziehungen und für das gemeinsame Entwickeln neuer Ideen und Lösungen. Sie sind engagiert in der Welt, auch gegen Widerstände, und Sie tun alles, dass Menschlichkeit herrscht und Katastrophen möglichst dort, wo Sie sich engagieren, eben in der Welt der interkulturellen Verständigung, nicht notwendig sind“, sagte Reddemann zur Preisträgerin Prof.in Dr.in Yesim Erim. „Wir alle hier wissen, wie schwierig das gerade wieder jetzt ist. Es braucht kundige und mutige Menschen wie Sie, dass es Austausch zwischen Kulturen gibt, Interesse aneinander, und vor allem Toleranz und Freundlichkeit.“

Bei Studien zum Thema sei es schwierig, teilnehmende Migrant*innen oder Geflüchtete zu finden, führte Prof.in Dr.in Yesim Erim während ihrer Rede aus. Es herrsche oft die Sorge vor negativen Konsequenzen. Ebenso an medizinischen Angeboten würden diese Gruppen seltener partizipieren als Einheimische. Die Medizinierin beschäftigt sich bei ihrer Arbeit unter anderem mit der Fragestellung, wie oft bei Migrant*innen und Geflüchteten psychische Probleme oder Krankheitsbilder auftauchen. Dabei untersucht sie mögliche Einflussfaktoren auf deren psychische Gesundheit: Sind ausschließlich vergangene Erlebnisse in der Heimat maßgeblich für spätere psychische Probleme, oder auch die aktuellen Lebensumstände im Aufnahmeland? Und welche Faktoren unterstützen eine gute Anpassung in die neue Gesellschaft?

Bei der Urkundenübergabe (v.l.): Universitätspräsidentin Prof.in Dr.in Verena Pietzner, Prof.in Dr.in Yesim Erim, Stifter Hans Höffmann und Prof. Dr. Egon Spiegel, Vorsitzender der Auswahl-Jury

„Eine interkulturell kompetente Haltung bedeutet, dass wichtige Akteure, zum Beispiel im Gesundheitswesen, die Bedürfnisse von kulturell diversen Gruppen wahrnehmen und ihre institutionellen Angebote – wie die medizinische Behandlung oder Psychotherapie – dementsprechend anpassen“, erklärt Erim. Hier würden sich zum Beispiel Fragen danach ergeben, welche Besonderheiten in der Behandlung von Migrant*innen berücksichtigt werden sollten: So würden unterschiedliche Konzepte von Krankheit sowie von ärztlicher Behandlung eine Rolle spielen. Ebenso müsse darauf geachtet werden, was in Krankenhäusern und was in ärztlichen sowie in psychotherapeutischen Praxen getan werden kann, damit die Behandlung der Migrant*innen erfolgreich ist. Wenn Ärzt*innen Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen behandeln, kämen – wie bei anderen Patient*innen auch – evidenzbasierte Methoden und medizinische Leitlinien – also systematisch entwickelte Aussagen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung von Praktizierenden – zum Einsatz. „Das ist nicht schlecht, aber auch nicht ausreichend“, meint Erim. Diese Methoden würden auch deshalb angewandt, um die knappe Zeit der Ärzt*innen möglichst effizient zu nutzen. Der Alltag sei hier „schnelllebig und hektisch“. Doch für eine gute Behandlung bedürfe es auch einer guten Kommunikation zwischen Behandelnden und Patient*innen. Nicht nur Sprachbarrieren müssten bei Migrant*innen überwunden, sondern auch die Bedürfnisse von anderen Kulturen verstanden werden. Dabei gelte es nicht, die eigene Weltsicht anzupassen, sondern sich dieser bewusst zu werden. So gehe es darum, Erwartungen von Patient*innen wahrnehmen und so angemessene Interventionen anzubieten zu können. Die interkulturelle Öffnung des Gesundheitssystems sei sogar im nationalem Integrationsplan der Bundesregierung festgehalten. Demnach solle die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am Gesundheitssystem durch dessen interkulturelle Öffnung verbessert, zielgruppenspezifische Angebote weiterentwickelt und umsetzt werden. Dies sei nicht nur für die aktuell Flüchtenden wichtig, äußert Erim. Auch die Migrant*innen, die bereits vor langer Zeit geflohen sind, wären hier betroffen. Beispielswiese könnten aktuelle Krisen Traumata aufleben lassen.

Prof.in Dr.in Yesim Erim sieht drei Möglichkeiten, um interkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen zu verbessern: 1.) Das Thema versträrkt in die Lehre und die Ausbildung aufnehmen. 2.) Qualitätskontrollen für interkulturelle Kompetenz entwickeln, einführen und umsetzten und 3.) die interkulturelle Kompetenz vermehrt in Ausschreibungen von Geldgebenden oder Preisen in den Fokus zu rücken. Beim letztgenannten Punkt würde bereits der Höffmann-Wissenschaftspreis an der Universität Vechta mit einem guten Beispiel vorangehen, ist sich die Medizinerin sicher.

Wegbegleiter*innen von Prof.in Dr.in Yesim Erim (2.v.r.)

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