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Organisierende und Vortragende der hybriden Tagung, die vor Ort waren.
Organisierende und Vortragende der hybriden Tagung, die vor Ort waren.

Pressemitteilung -

Tagung | „One Health 2022: Mensch, Tier & Umwelt ganzheitlich denken“

Der One-Health-Ansatz basiert auf dem Verständnis, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander zusammenhängt. Welchen Stellenwert das Thema hat, zeigt unter anderem die Tatsache, dass sechs Bundesministerin derzeit gemeinsam One-Health in der Forschung verankern wollen und eine entsprechende Forschungsplattform entwickeln. Die Tagung „Mensch, Tier & Umwelt ganzheitlich denken“ an der Universität Vechta nahm das Thema ebenfalls in den Fokus. Sie ist die vierte ihrer Art und wurde am 11. Oktober 2022 vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA), der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) und dem Verbund Transformationsforschung agrar (trafo:agrar) durchgeführt. Über 50 Personen waren der Einladung in Präsenz gefolgt und ca. 80 Personen haben online an der Tagung teilgenommen.

Die Leiterin des Verbundes Transformationsforschung agrar Niedersachsen, Dr.in Barbara Grabkowsky, begrüßte die Teilnehmenden. Zur Beherrschung der wachsenden Problematik der Antibiotikaresistenzen, zur Minimierung des permanenten Risikos bekannter und neuer Zoonosen sowie zum Erhalt einer zuverlässigen Lebensmittelsicherheit sei die aktive Zusammenarbeit zwischen Akteur*innen in Human- und Veterinärmedizin, Landwirtschaft, Umwelt, Verwaltung und Politik eine zentrale Herausforderung. Vieles sei schon etabliert und neue Projekte seien auf den Weg gebracht worden.

Mit der ersten Keynote eröffneten Prof. Dr. med. vet. Thomas Blaha und Herr Prof. Dr. Eberhard Haunhorst, Präsident LAVES, mit „Setting the Scene: Aktuelle Antibiotikaanwendungssituation – Was ist passiert seit dem Lockdown in 03/2020?“ die Vorträge. Prof. Blaha konstatierte: „Corona hat, verständlicherweise, unseren Blick auf die gesundheitlichen Risiken, mit denen wir zu leben haben, und die wir möglichst gut beherrschen wollen, sehr verengt. Tatsache ist, dass alle vorher schon bestehenden Risiken und alle potenziellen neuen Risiken uns wie eh und je bedrohen. All das verpflichtet uns gemäß des One-Health-Konzeptes, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen nachhaltig ins Gleichgewicht zu bringen und zu optimieren. Das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus der Tierwelt stammende SARS-Cov-2-Virus hat diese Notwendigkeit mit aller Wucht verdeutlicht."

Dr. med. Tim Eckmanns vom Robert Koch-Institut in Berlin ging in der zweiten Keynote auf die „Surveillancesysteme zur Antibiotikaresistenz auf globaler und nationaler Ebene“ ein. Er stellte die Aktivitäten und Überwachungssysteme vor, Dabei machte er deutlich, dass die AMR (Antimikrobielle Resistenz) eine globale One Health Herausforderung ist, die die Gesundheitspolitik und darüber hinaus die Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen wird.

Dr. Fabian Feil, Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA) präsentierte die „Aktuellen Aspekte aus der Humanmedizin“. Dabei ging er auf die Situation in allen Bereichen des Gesundheitswesens ein und machte die Herausforderungen der Zukunft deutlich. Die von der Landesregierung entwickelte Strategie gegen Antibiotikaresistenz (StArt) biete eine gute Grundlage unter dem One-Health-Gesichtspunkt an bestehende, gemeinsame Initiativen anzuknüpfen. Die Arbeitsgemeinschaft One Health wird von vier Ministerien und zwei nachgeordneten Behörden, nämlich dem NLGA und dem LAVES in Niedersachsen gestützt und befasst sich mit neun Handlungsfeldern.

Dr.in rer. nat. Barbara Grabkowsky, Leitung trafo:agrar, bei der Begrüßung

Die aktuellen Aspekte aus der Veterinärmedizin stellte Prof. Haunhorst vor. Zu Beginn ging er auf die Novellierung des Tierarzneimittelgesetzes ein, das ab 2023 gültig sein wird. Außerdem veranschaulichte er, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin in den vergangenen Jahren deutlich reduziert werden konnte. Grundlage dieses Erfolgs sei das nationale Antibiotikaminimierungskonzept und eine konsequente amtliche Überwachung. Schon heute können die Abgabemengen von Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte transparent dargestellt werden, zukünftig wird durch die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel aber noch weiter verschärfend jede einzelne Anwendung erfasst.

Dr.in med. vet. Sandra Brogden, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, stellte in ihrem Beitrag „AMR und Umwelt: Ein narrativer Review von AB-Resistenzuntersuchungen in der Umwelt (Wasser, Boden, Pflanze, Luft)“ vor. Bei der Aufbereitung von Brauchwasser werden in die Abwässer geratene Arzneimittel nicht komplett inaktiv und gelangen so in die Umwelt. Über Zugvögel und Wildtiere können Resistenzgene über Landesgrenzen hinweg verbreitet werden. Sie konnte eine erste Übersicht von Informationen zu Antibiotika-Resistenzenuntersuchungen in der Umwelt aufzeigen und stellte fest, dass bisher nur wenige Studien hierzu verfügbar sind und oft auch nicht repräsentativ sind. Ihr Fazit war, dass mehr Forschung notwendig ist, um den Faktor Umwelt bezüglich der Verbreitung von Resistenzen besser zur erfassen.

Prof. Dr. Robin Köck, Chefarzt Institut für Hygiene der DRK Kliniken Berlin, schaltete sich digital in den Hörsaal mit seinem Vortrag „Antibiotikaresistenzen in der Humanmedizin – aktuelle Herausforderungen und Reservoire“. Er stellte zunächst die verschiedenen Einsatzgebiete von Antibiotika bei Patienten vor. Dabei sei die Pneumonie (Lungenentzündung) die häufigste Infektionskrankheit in Europa und es gibt kaum Resistenzen in diesem Bereich. Er ging darauf ein, dass bei den, in der Humanmedizin wichtigen multiresistenten Erregern, verschiedene Arten unterschiedlich oft nachgewiesen werden konnten. Dabei seien zoonotische Quellen nicht bei allen Ausprägungen gleich relevant gewesen.

Von der Humanmedizin ging es im anschließenden Vortrag von Herrn Dr. Ronald Günther, Fachtierarzt für Geflügel zur Tiermedizin unter dem Titel „Die neue Tierarzneimittelgesetzgebung – spezifische Herausforderungen für den Geflügeltierarzt“. Dr. Günther veranschaulichte die Komplexität beim Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung und stellte die Vorteile der integrierten tierärztlichen Bestandsbetreuung (ITB) dar. Geflügeltierärzte haben im Spannungsfeld zwischen Tiergesundheit, Tierschutz, Lebensmittelsicherheit und Verbrauchererwartungen täglich Entscheidungen zu treffen. Die Herde als Gesamtheit steht dabei im Mittelpunkt. Eine spezifische Impfprophylaxe, Managementberatung und Analyse der Bestandsdaten sind die Grundpfeiler einer erfolgreichen Arbeit.

Peter Tenhaken, Abteilungsleiter für Umwelthygiene beim Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osnabrück befasste sich in seinem Vortrag mit „Erregern in der Abwassermatrix; Risiken und Chancen im Gesundheitssystem“. Multiresistente Erreger könnten in Abwässern nachgewiesen werden, jedoch gehe von gereinigten kommunalen Abwässern in der Regel keine relevante Gefährdung mehr für die Allgemeinbevölkerung aus. Im Gegensatz dazu habe das abwasserführende System in Krankenhäusern eine besondere infektionshygienische Relevanz, so dass hier präventive Maßnahmen zum Schutz der der Umwelt getroffen werden müssten. In Bezug zur Corona-Pandemie stellte er die Ergebnisse einer Corona-Abwasserstudie vor, in die die Kläranlage in Bramsche im Kreis Osnabrück einbezogen war. Ein SARS-CoV-2-Monitoring von Abwasserproben kann eventuell in Zukunft einen Beitrag zur Beurteilung des zeitlichen Trends einer pandemischen Lage leisten, jedoch besteht derzeit noch Forschungsbedarf, um valide Daten zu erlangen.

Von der Universitätsmedizin Göttingen referierte Univ. Prof.in Dr.in med. Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts und Ordinaria für Krankenhaushygiene und Infektiologie (IK&I) über „Ansatzpunkte zur AMR-Prävention Krankenhaushygiene“. Krankenhaushygiene, also Infektionskontrolle und Infektionsprävention, spiele eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung antimikrobieller Resistenz. Beim Ausblick machte Dr. Scheithauer deutlich, dass auch der Klimawandel künftig einbezogen werden müsse, da die Antibiotikaresistenz auch temperaturabhängig sei. Alle Disziplinen müssten abgestimmt zusammenarbeiten, um der hyperkomplexen Herausforderung AMR effektiv und effizient zu begegnen.

Prof. Dr. med. vet. Thomas Blaha, TVT


Im Anschluss an diesen Vortrag rundeten vier Beiträge mit Beispielen aus der interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Institutionen das Tagungsprogramm ab. Den Anfang machte Dr.in Karen Remm vom LAVES mit ihrem Vortrag „Interdisziplinäre Zusammenarbeit in Niedersachsen: Was gibt es bereits für gemeinsame Projekte, was sind die Herausforderungen, was sind die Bedarfe? Im Projekt Connect OHD arbeiten Fachgruppen des NLGA, des LAVES, des Institutes für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung (IBEI) der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) eng zusammen. Die Daten der amtlichen Überwachung haben großes Potential für (Frühwarn-) Surveillance-Systeme im Sinne des One Health Ansatzes.“ Um ein integriertes System zu schaffen wäre aber eine Anpassung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erforderlich. Zusätzlich sollten (auch neuere) technische Ansätze ausgeschöpft werden, um die Möglichkeiten der Datenintegration zu verbessern, denn eine Herausforderung sind inhomogene Daten, da der Zweck der jeweiligen Datensammlung verschieden ist und somit die Verknüpfung der Daten schwierig wird.

Vom NLGA stellte Frau Saskia Schmitz im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit in Niedersachsen das Projekt RoBoPub vor. Hierbei geht es um die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit durch ein besseres Verständnis der Epidemiologie. Der Verbund ist Teil des Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten. Dabei wird insbesondere der „One Health“-Ansatz und der Transfer der Ergebnisse in die Anwendung des öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgt. Die Seroprävalenzstudien weisen auf geringe Diagnoseraten für Hantavirus- und Leptospiren-Infektionen hin. Die in den Studien ermittelten Risikofaktoren für Infektionen könnten bei der Entwicklung von zielgruppenspezifischen Informationsmaterialien helfen, und der entwickelte Risikomanagementplan diene als Toolbox für den öffentlichen Gesundheitsdienst, der bei der frühzeitigen und zielgruppenspezifischen Risikokommunikation unterstütze.

Zur Colistinresistenz bei Mastputen in Niedersachsen stellte Katja Nordhoff vom NLGA eine Studie vor, in der in Zusammenarbeit verschiedener Institutionen die Resistenzen bei Puten und den Menschen, die die Puten halten und betreuen, untersucht hat. Dabei wurden sogenannte Sockentupfer bei den Tieren entnommen und Stuhlabstriche bei den Menschen. Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dass in 70 % aller Mastputenbetriebe das mobile mcr-1-Resistenzgen nachweisbar war und in 4 von den 46 Stuhlproben. Es gab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Colistin-Anwendung, Haltungsform und mcr-1-basierter Colistinresistenz. Isolate von Mensch und Tier auf denselben Höfen waren in keinem der Fälle nah verwandt, wiesen jedoch in einem Fall Plasmide mit identischen Abschnitten im Bereich des mcr-Locus auf. Weder im Stall- noch in Stuhlproben wurde eine Carbapenem-Resistenz nachgewiesen.

Dr.in med. vet. Sonja Wolken vom NLGA befasste sich in ihrem Vortrag mit dem Einsatz von Tieren in medizinischen Einrichtungen. Die tiergestützte Intervention in medizinischen Einrichtungen gewinnt immer mehr an Beliebtheit. Sie stellte die Ergebnisse aus zwei Studien aus dem therapeutischen Bereich und aus dem Krankenhaus vor, in denen Tiere zu Therapiezwecken eingesetzt werden. Das Feld ist multidisziplinär und die Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin ist unabdingbar. Bei sorgfältiger Planung, optimaler Gesundheitsüberwachung des Tieres und unter Einhaltung bestimmter Hygienemaßnahmen, würden die positiven Effekte Tiergestützter Therapien in medizinischen Einrichtungen die Gefährdung durch eine mögliche Erregerübertragung überwiegen.

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