Pressemitteilung -
Die doppelte Tragik hinter dem Bundesprogramm Sprach-Kitas – Professionalisierung im Projektmodus
Es ist immer zu beklagen, wenn Fördermittel gestrichen werden und Anschlussfinanzierungen fehlen, um die guten Ideen und Impulse, die in einer Projektarbeit entstanden sind, nachhaltig weiter zu verfolgen. In der Bundeskabinettsitzung am 01. Juli 2022 wurde nun das Aus des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ beschlossen – diese Initiative wurde vom Bundesfamilienministerium mit unterschiedlichen Programmen (zuvor „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“) seit 2011 gefördert. Diese Entwicklung ist weder im Sinne der Kinder, die nur mit guter Sprachbildung erfolgreich weitere Bildungswege beschreiten können noch der Erzieher*innen/pädagogischen Fachkräfte, die mit diesem Programm ihre Professionalisierung vorangetrieben haben.
Dieses Bundesprogramm, das nach 11 Jahren ausläuft, hat mehr als gezeigt, dass der Bedarf aus der Praxis nicht mehr wegzudenken ist. Das Projekt ist Notwendigkeit im pädagogischen Alltag geworden. Die Ergebnisse der Bildungsforschung, aber auch Erfahrungen mit der Zuwanderung haben gezeigt, wie bedeutend Sprachkompetenzen im Allgemeinen sind, um Teilhabe in der Gesellschaft zu erfahren. „Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, braucht eine offene und plurale Gesellschaft barrierefreie Zugänge zur Sprachbildung und wo sollten diese besser greifen als in der Kita – ist doch schon lange bekannt, dass dem informellen Lernen für die Sprachaneignung die zentrale Schubkraft zukommt. Über die Notwendigkeit lässt sich also nicht streiten. Die Sprachbildung gehört heute zu den Kernaufgaben einer Kita.
Die doppelte Tragik wird nur dem bewusst, der sich die Mühe macht, hinter die Handlungsstrategien in der Steuerung des Systems der Kindertageseinrichtung zu blicken. Projektmittel sind befristet, im gleichen Zuge sollen damit aber Kernaufgaben in der Kita erfüllt werden. Der Verweis des Ministeriums auf die – auch weiterhin zeitlich befristeten – integrierten Finanzmittel des Bundes im Anschluss an das „Gute-Kita-Gesetz“ – in einem Qualitätsentwicklungsgesetz – sind daher nur ein schwacher Trost. Damit wird nicht nur die Qualität der Kita „befristet“ angelegt, sondern dahinter stehen persönliche Schicksale vieler sich aus eigenem Engagement heraus weitergebildeter pädagogischer Fachkräfte. Seit kurzem wird wieder über den Gender Gap in Arbeitsmärkten diskutiert. Die Kita ist ein traditioneller Frauenarbeitsmarkt. Im Fall des Programms Sprach-Kitas lassen sich diese Mechanismen idealtypisch nachzeichnen. Zwar wurde versucht, mit dem Programm einen Beitrag zur Professionalisierung zu leisten und sogenannte kurze Karriereleitern in der Kita etabliert. Damit verbunden ist die Stelle einer sogenannten Sprachkoordinator*in, die auch tariflich höher eingruppiert und besser bezahlt wurde. Die Schwachstellen zeigen sich aber in der Konstruktion: Projektabhängigkeit und nicht standardisierte Qualifikationen führen zur doppelten Tragik. Damit wird es den qualifizierten Fachkräften schwergemacht, für ihre aufgebauten Kompetenzen in Zukunft auch entsprechend entlohnt zu werden. Hier wird deutlich, wie in Organisationen ihre seit Jahrhunderten tradierten Strukturen und Mechanismen reproduziert werden. Im Fall von traditionellen Frauenarbeitsmärkten werden immer wieder Sonderwege gewählt, die Professionalisierung versprechen und zum Schluss in eine „Sackgasse“ münden. Einrichtungsträger, Kommunen, Länder und Bund sollten die große Resonanz auf das Aus des Bundesprogramms Sprach-Kita als Weckruf verstehen – Professionalisierung nicht im Projektmodus zu betreiben, sondern tatkräftig Reformen anzugehen und die Wege zu nutzen – die in der Berufsbildung schon lange angelegt sind – nämlich: Karrierewege über die Akademisierung zu beschreiten, wie in anderen sich ausdifferenzierenden Berufsfeldern üblich. Damit wird zugleich angeschlossen an die früh- und kindheitspädagogische Disziplinentwicklung im Allgemeinen. Nur mit fest verankerten Stellenprofilen im Handlungsfeld Kita kann jetzt die sich abzeichnende Fluktuation abgewendet und Karrierelaufbahnen sichtbar gemacht werden. So kann es gelingen, nachhaltig Orientierungswissen zu erhalten und pädagogische Qualität in den Einrichtungen langfristig zu stärken.