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„Der neue (alte) Antisemitismus in Deutschland“ | Tagung der Politikwissenschaft an der Universität Vechta

Pressemitteilung -

„Der neue (alte) Antisemitismus in Deutschland“ | Tagung der Politikwissenschaft an der Universität Vechta

Mit finanzieller Unterstützung durch die Universitätsgesellschaft hat am vergangenen Freitag und Samstag (24.-25.11.2023) die Tagung zum „neuen (alten) Antisemitismus in Deutschland“ an der Universität Vechta stattgefunden. Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Nitschke trafen sich rund 30 Teilnehmende aus Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg zu acht Vorträgen, die Anlass zu Reflexionen über das alte und neue Phänomen des Antisemitismus ermöglichten.

Nitschke machte zu Beginn darauf aufmerksam, dass die Tagung bereits im September hätte stattfinden sollen, es aber eine Verschiebung des Termins gegeben habe. Durch den Angriff der Hamas auf Israel sei eine aktuelle Virulenz in den Antisemitismus gekommen, welche die schon vorherrschenden wie auch neuen Phänomene in ihrer Aggressivität erscheinen ließen. Der Universitätsprofessor für Wissenschaft von der Politik konstatierte: „Der 7. Oktober dieses Jahres hat alles in Bezug auf dieses Thema verändert.“

In diesem Lichte stand auch der einleitende Vortrag: Nitschke zeigte exemplarisch das „antisemitische, stets vorhandene Grundrauschen in Deutschland“ auf. Es manifestiere sich in klassischen und veränderten Schuldzuweisungen. „Dadurch werden einerseits Täter-Zuschreibungen, andererseits Täter-Opfer-Umwertungen vorgenommen, die in ihrer Konsequenz – nach Goldhagen – zum ,Eliminatorischen Antisemitismus‘ führen“, so Nitschke. „Der Angriff der Hamas auf Israel und die systematische Tötung von über 1.400 Menschen stellt einen Zivilisationsbruch dar, der sich dadurch zeigt, dass die Tötungen in Echtzeit übertragen und kommuniziert wurden – und weiterhin werden“. Dies führe in der Konsequenz zur medialen Aufbereitung und Verherrlichung von Tötung, die auch in sozialen Medien ihren Niederschlag finde und damit das antisemitische Grundrauschen befördere und existenziell wie medial intensiviere, so der Professor.

Dr. Wolfgang Bock (Universität Bremen) beleuchtete die Virulenz des Antisemitismus auf Grundlage der Gruppenstudie (1956) des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt und der Documenta Fifteen(2022). Die soziologischen Befunde sind demnach noch immer aktuell: Es würden sich die Bedeutungen und Zuordnungen des Antisemitismus verschieben, aber die Rückschlüsse auf die „Psyche des Judenhassers“ blieben typologisch bestehen.

Die ehemalige Masterabsolventin der Kulturwissenschaften an der Universität Vechta, Carolin Block M.A., präsentierte das Format der antisemitischen Erinnerungskultur in Deutschland. Sie wies vor allem auf die Stellung von Zeitzeugen hin. In der anschließenden Diskussion hierzu wurde daran erinnert, dass mit den Zeitzeugen auch das Format der Primärerinnerung verloren gehe. Dies steigere das Potential für ein vertieftes antisemitisches Grundrauschen.


Das Grundrauschen ist auch in den Erklärungen zu Weltgeschehnissen zu hören: Enno Stünkel (VHS Celle) wies zum Abschluss des Freitags darauf hin, dass antisemitische Verschwörungsideologien anschlussfähig und niederschwellig seien. An verschiedenen Beispielen (z.B. „Reichsbürger“) zeigte Stünkel, wie antisemitische Weltanschauungen und -erklärungen ein Medium für gesellschaftliche Radikalisierung darstellen. Auch Insa Waltermann, Masterstudentin in Vechta, demonstrierte anhand der antisemitischen Radikalisierung zu Zeiten der Coronapandemie diesen Befund.

Dr. Yousry Hammed, Integrationsmanager in Böblingen, präsentierte unter anderem anhand der Charta der Hamas und der Finanzierung der Hamas – durch Katar, Iran und der Türkei – die hintergründige, wie auch offensichtliche antisemitische Feindsetzung, die auch in Deutschland anzutreffen sei. Darauffolgend zeigte Anna Voigt (Verfassungsschutz, Abtl. Prävention, Innenministerium Hannover) eine innenpolitische Perspektive auf, indem sie die Präventionsarbeit des Verfassungsschutzes skizzierte.

Den Abschluss der Vorträge stellten die Ausführungen von Dr. Dr. Rudolf Inderst (Internationale Hochschule München) dar. Anhand von beispielhaften Computerspielen und digitalen Spielenetzwerken demonstrierte er, wie verbreitet antisemitische Vorurteile und Radikalisierungen in der digitalen Spielkultur mittlerweile vorhanden sind.

„Die Diskussionen waren alle sehr belebt“, fasste es Prof. Dr. Peter Nitschke im Anschluss zusammen. „Die Referenten und Referentinnen haben gezeigt, wie tief und breit das antisemitische Grundrauschen in Deutschland ist. Antisemitismus changiert in seinen Phänomenen, doch ein Kern bleibt – Die Gegenwart zeigt, wie wichtig tiefere Erforschungen zur Ideologie des Antisemitismus sind.“

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