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Bild: Jost Listemann/Zukunft Gas
Bild: Jost Listemann/Zukunft Gas

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Biogas: Neue Bakterienordnung entdeckt

Wissenschaftler*innen des europäischen Forschungsprojekts MICRO4BIOGAS haben eine neue taxonomische Ordnung von Bakterien entdeckt und charakterisiert, die auf die Zersetzung organischer Stoffe spezialisiert ist und den Schlüssel zur Verbesserung der Biogasproduktion darstellen könnte. Die neue Ordnung erhielt den Namen Darwinibacteriales. Sie ist eine der am häufigsten vorkommenden Ordnungen in Biogasanlagen, ist bislang aber noch nie wissenschaftlich charakterisiert worden.

Die Entdeckung wurde von Forscher*innen aus Deutschland – unter anderem von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) –, Spanien und den Niederlanden gemacht. Sie entnahmen 80 Proben von sich zersetzendem organischem Material aus 45 industriellen Biogasanlagen in Deutschland, den Niederlanden und Österreich und untersuchten deren mikrobielle Zusammensetzung mittels DNA-Sequenzierung. „Interessanterweise waren Mitglieder der Darwinibacteriales in allen 80 Proben vorhanden, trotz der Unterschiede und der Entfernung zwischen diesen Anlagen“, erklärt Prof. Dr. Christian Abendroth von der BTU Cottbus-Senftenberg.

Die Wissenschaftler*innen suchten nach den wichtigsten mikrobiellen Akteuren in einem Prozess, der als anaerobe Verdauung bezeichnet wird und bei dem organisches Material abgebaut und anschließend in energiereiches Gas umgewandelt wird, das anschließend als Brennstoff Verwendung findet. Dieser Prozess gilt als Blackbox, da die Rolle und die Dynamik der meisten beteiligten Mikroorganismen noch unbekannt sind. Die Verbesserung der Biogaserzeugung würde einen entscheidenden Wandel in der Energiewirtschaft bedeuten und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Energieimporten verringern, doch die mangelnde mikrobiologische Forschung hat den Sektor bisher gebremst.

„Dies ist ein schönes Beispiel für etwas, das uns vor der Nase lag, das für die Biogaserzeugung wesentlich ist, uns aber lange verborgen blieb“, sagt Dr. Manuel Porcar, Micro4Biogas-Koordinator von der spanischen Universität Valencia und Mitautor beider Studien. „Unsere Arbeit zeigt die Spitze eines mikrobiellen Eisbergs, der höchstwahrscheinlich den Schlüssel zur Biogasproduktion enthält, aber nie auf genomischer Ebene charakterisiert wurde.“

Mit dieser Entdeckung sind die Wissenschaftler*innen des MICRO4BIOGAS-Konsortiums in der Lage, maßgeschneiderte, supereffiziente Gemeinschaften von biogasproduzierenden Mikroben zu schaffen. Ihr Ziel ist es, Biogasanlagen robuster und weniger abhängig von Subventionen zu machen, um sie wirtschaftlich zu betreiben und so den erneuerbaren Energien weltweit einen Schub zu geben.

Einer der umfassendsten Datensätze zu anaeroben Mikrobiomen

Die Erstcharakterisierung von 80 Faulschlämmen wurde von Pascal Otto von der TU Dresden, Jeroen Tideman von Bioclear Earth sowie Prof. Dr. Christian Abendroth von der BTU Cottbus-Senftenberg durchgeführt. Im Rahmen der Beprobung wurden auch technische Parameter erfasst und eine Vielzahl von prozesschemischen Parametern analysiert. Zusammen mit der anschließenden Sequenzierung entstand laut Prof. Abendroth einer der bisher umfassendsten Datensätze zur Charakterisierung anaerober Mikrobiome. Die vollständige Analyse des Datensatzes ist noch nicht abgeschlossen. Als erster Meilenstein kann nun jedoch schon auf die Charakterisierung der obig erwähnten Darwinibacteriales verwiesen werden.

Eine übersehene Gruppe von Mikroben

Um die Zusammensetzung und Vielfalt der mikrobiellen Gemeinschaften in allen entnommenen Proben zu verstehen, wurde eine taxonomische Analyse durchgeführt, bei der ein bestimmtes Gen (das 16s rRNA-Gen) für alle Proben sequenziert wurde. Die Wissenschaftler*innen verglichen die Ergebnisse anschließend mit Referenzdatenbanken, um festzustellen, welche Arten oder Taxa – Gruppen von Lebewesen, die sich durch gemeinsame Merkmale beschreiben und von anderen Gruppen unterscheiden lässt – vorhanden waren und wie hoch ihre relative Häufigkeit war.

MBA03 war bereits in anderen Studien als eine Gruppe nicht kultivierter Bakterien (die nicht im Labor gezüchtet wurden) erwähnt worden, aber niemand hatte ihr zuvor besondere Aufmerksamkeit geschenkt. „Sie wurde normalerweise bei der Analyse von Mikrobiomen aus der anaeroben Verdauung durch Sequenzierung des 16s rRNA-Gens entdeckt“, erklärt Dr. Adriel Latorre, Direktor der Abteilung Genomik bei Darwin Bioprospecting Excellence und korrespondierender Autor einer der beiden Studien.

Um diese unbekannte Gruppe gründlich zu erforschen, wurden 30 Proben, in denen das Vorhandensein von MBA03 bestätigt worden war, vollständig sequenziert. „Erstaunlicherweise konnten wir jedoch bei der Analyse der vollständigen Metagenome der 30 Proben in keiner einzigen MBA03 nachweisen. Dies offenbarte eine technische Einschränkung: Das Genom dieses Taxons war in den Datenbanken nicht verfügbar. Von diesem Moment an war unser Ziel klar: Wir mussten das Genom von MBA03 isolieren und eingehend beschreiben“, sagt Dr. Latorre.

Unter Verwendung des MICRO4BIOGAS-Datensatzes bestätigten phylogenetische und phylogenomische Rekonstruktionen, dass MBA03 eine neue Ordnung darstellt, die eine taxonomische Gruppe oberhalb von Familie, Gattung und Art ist. Die neue Ordnung wurde nun als Darwinibacteriales benannt.

Die Wissenschaftler*innen vermuten, dass eine bestimmte Familie innerhalb dieser neuen Ordnung (d. h. die Familie Darwinibacteriaceae) mit sogenannten methanogenen Archaeen – einer anderen Art von Mikroorganismen, die an der anaeroben Verdauung beteiligt sind – in gegenseitiger Zusammenarbeit agieren. Die Bakterien produzieren demnach Stoffwechselverbindungen, die methanogene Archaeen zur Erzeugung von Methangas nutzen. Dies deckt sich mit früheren Studien, in denen ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von MBA03 und der Biogasproduktion analysiert wurde. Wenn sich dies bestätigt, sind diese Bakterien ein vielversprechendes Ziel für die Entwicklung von Strategien zur Steigerung und Verbesserung der Biogasproduktion.

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Selina Stolzenbach

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