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Gute Sprache, hoher Mallarmé-Quotient - unser Kulturcheck

Was macht einen guten Slogan aus und was hat das mit dem Mallarmé-Quotient zu tun?

Jahrelang habe ich mich dem Flughafen Heathrow mit Schrecken genähert. Das große Banner der Royal Bank of Scotland lauerte da: „Make it happen“. An sich ein schöner Spruch. Ermutigend. Aber eines bedrückte mich: Auch nach Jahren fiel mir nicht die eine, wirklich perfekte Übersetzung ein. Irgendwie funktionierte hier etwas auf Englisch, was auf Deutsch nicht zu erreichen war.

Natürlich gibt es auch jede Menge Beispiele in umgekehrter Richtung. „Wir setzen Sie an die frische Luft“, versprach mein Hotel letzte Woche. Gemeint war, dass das Restaurant eine Terrasse hatte. Oder denken Sie an die Schokoquadrate von Hanuta: „So gut wie hausgemacht.“ Heißt einerseits: fast hausgemacht. Und andererseits: genauso lecker wie hausgemacht.

Die Kunst der Übersetzung

Aber kann man das nicht doch übersetzen? Schließlich gibt es doch schlaue Formulierungen, die in beiden Sprachen funktionieren: „Fleurop bringt’s“ macht sich dieselbe Doppelbedeutung von „bringen“ zu Nutze wie jene amerikanische Firma, die verspricht: „We deliver.“

Zunächst einmal: Warum sind das gute Slogans? Weil sie nicht „durchsichtig“ sind. Sie ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Und „auf sich“ heißt auf ihre Sprache. Man sieht nicht einfach so hindurch auf das Produkt oder den Ort, den sie beschreiben. Sondern man sieht auch die Formulierung selbst. Und die bleibt dann in Erinnerung.

Die zwei wichtigsten Wege, auf denen das funktioniert, haben wir eben gesehen: Sprache kann idiomatisch sein, und sie kann doppel- oder mehrdeutig sein. Idiomatisch bedeutet, dass durch feste Wortverbindungen eine Wortbedeutung entsteht, die von den einzelnen Teilen weit entfernt ist.

Der französische Schriftsteller Stéphane Mallarmé hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast wie ein Besessener solche Mehrdeutigkeiten in seine Werke eingebaut und seine Leser auf die Sprache als Sprache, als Material hingewiesen. In einem Text spricht er von einem Musikinstrument, das auf Französisch „mandore“ heißt. In dem Text geht es um Identität. Einige Leser merkten bald: „Mandore“ ist nicht nur ein Instrument, es ist auch ein Wort, das mit dem Thema Identität zu tun hat. Es enthält zwei englische Wörter „and/or“, die von dem englischen Wort „me“ gerahmt werden. „Ich und/oder ich“ also. Mallarmé war übrigens Englischlehrer …

Werbliche Sprache hat viel mit Idiomen und Ambivalenzen (Mehrdeutigkeiten) zu tun. Deshalb sind werbliche Formulierungen oft schwer übersetzbar. Denn das gleiche Idiom existiert meist nicht in einer anderen Sprache. Und nur wenige Wörter sind in zwei Sprachen genauso doppeldeutig.

Der NIMIRUM-Kulturcheck

Wir von NIMIRUM bewerten die Schwierigkeit von Übersetzungen nach einer Methode, die wir im Haus „Mallarmé-Quotient“ getauft haben. Wir schauen, wie idiomatisch eine Formulierung ist, wie stark sie von einer Doppel- oder Mehrdeutigkeit lebt und inwiefern sich für diese beiden Eigenschaften eine naheliegende Alternative in der Zielsprache finden lässt. Sowohl unsere Übersetzer als auch unsere Regionalberater im Bereich Kulturcheck haben hierauf ein Auge.

Übrigens: Die Frage nach den Alternativen in einer anderen Sprache kann auch dann schwierig sein (hoher Mallarmé-Quotient!), wenn die zu übersetzende Formulierung erst einmal ziemlich einfach ist. Eben stand ich im Zug vor einem Aufkleber, der darauf hinwies, dass man im Innenraum des Zuges von einer Kamera beobachtet wird. Auf Deutsch stand da: „Videoüberwacht.“ Das ist alles andere als mehrdeutig. Man weiß sofort genau, was gemeint ist. Auf Englisch stand gleich darunter: „Video-observed.“ Das sagt allerdings auf Englisch kein Mensch. „CCTV“ würde in England auf dem entsprechenden Schild stehen. Bei der Berechnung des Mallarmé-Quotienten fließt also die Frage nach dem Kontext immer mit ein.

Sie haben ein konkretes Projekt zu Übersetzungen oder mehrsprachigen Kampagnen, bei dem wir Sie als Partner unterstützen dürfen? Wenden Sie sich gerne an uns. Ihre zentrale Ansprechpartnerin für Ihre Anfrage:  
Anja Mutschler - Inhaberin, Tel.: 0341 / 580 680 73 oder per Mail an frage@nimirum.info

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