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Bei der Urkundenübergabe: Privatdozentin Dr.in Anna Szyrwińska-Hörig zusammen mit Universitätpräsidentin Prof.in Dr.in Verena Pietzner und Habilitationsvater Prof. Dr. Jean-Christophe Merle
Bei der Urkundenübergabe: Privatdozentin Dr.in Anna Szyrwińska-Hörig zusammen mit Universitätpräsidentin Prof.in Dr.in Verena Pietzner und Habilitationsvater Prof. Dr. Jean-Christophe Merle

Pressemitteilung -

Toleranz, Gefühle und Moral in der Philosophie | PD Dr.in Anna Szyrwińska-Hörig erhält Habilitationsurkunde und spricht im Interview über ihre Arbeit

Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Habilitationsverfahrens im Fach Philosophie an der Universität Vechta und der entsprechenden Antrittsvorlesung hat Privatdozentin Dr.in Anna Szyrwińska-Hörig nun ihre Urkunde von Universitätspräsidentin Prof.in Dr.in Verena Pietzner erhalten. Die Begegnung mit dem Andersartigen im 16. und 17. Jahrhundert ist das Thema der Habilitationsschrift von Szyrwińska-Hörig – „Willensfreiheit und Toleranz – Die Rolle des radikalen Indeterminismus in der Entwicklung der protestantischen Toleranzlehre auf der Grundlage der frühneuzeitlichen Naturrechtsphilosophie“ hieß der Titel. Die Philosophie Immanuel Kants stand hingegen zu seinem 300. Geburtsjahr im Mittelpunkt ihrer Antrittsvorlesung. Titel: „Darf ein moralischer Mensch auf seine Gefühle hören? Eine kantische Perspektive“. Im Interview spricht PD Dr.in Anna Szyrwińska-Hörig über beide Themen.

Zu welchem Thema haben Sie in Ihre Habilitationsschrift geforscht?

Die Anfänge der philosophischen Toleranzlehre standen bei meiner Habilitationsschrift im Fokus. Dabei habe ich mich auf die Philosophie der Renaissance und der Frühen Neuzeit konzentriert. Denn in dieser Zeit begann die philosophische Reflexion über Toleranz. Das 16. und 17. Jahrhundert war eine Epoche, die von der Begegnung mit dem Andersartigen geprägt war. In Europa entstand im Zuge der Reformation eine Vielzahl von Konfessionen, deren Vertreter optimale Formen der Verständigung miteinander ausarbeiten mussten. Die Entdeckung Amerikas wiederum brachte die Europäer mit Vertretern ganz anderer Kulturen und Religionen zusammen. Diese Begegnungen mit dem Anderen führten zu einem Nachdenken darüber, was Toleranz ist und warum sie so wichtig ist. In meiner Habilitationsschrift verfolge ich den Prozess der Herausbildung der Reflexion über die Toleranz aus philosophischer Perspektive, indem ich die Schriften damaliger Denker analysiere, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Es ist den Errungenschaften der Philosophen in der Renaissance und der frühen Neuzeit zu verdanken, dass Toleranz ein eigenständiges Thema wurde.

Warum haben Sie unter anderem für die Antrittsvorlesung Kant zu Ihrem „Untersuchungsgegenstand“ gemacht?

Die Philosophie Kants hat die spätere Entwicklung der Philosophie in erheblichem Maße beeinflusst. Sie ist daher einer der intensiv diskutierten Gegenstände der philosophischen Forschung. Obwohl bereits eine Menge von Abhandlungen und Artikeln über Kants Denken verfasst wurde, gibt es gleichzeitig noch eine Vielzahl strittiger Fragen. In meiner Antrittsvorlesung wollte ich aufzeigen, wie herausfordernd die Suche nach einer adäquaten Interpretation von Kants Theorie ist. Daher habe ich eine der vielen umstrittenen Fragen zu Kants Theorie gewählt, nämlich die Frage, inwiefern Kant davon ausgeht, dass Gefühle im Prozess der moralischen Motivation eine bedeutende Rolle spielen. In der Forschungsliteratur wird Kant mitunter als Philosoph charakterisiert, der den Gefühlen für die moralische Motivation keine wesentliche Bedeutung beigemessen habe. In meiner Antrittsvorlesung habe ich dargelegt, dass eine solche Interpretation eine gewisse Simplifizierung darstellt und dass eine eindeutige Bewertung von Kants Position eine anspruchsvollere Aufgabe ist, als es auf den ersten Blick erscheint.

Kant möglichst kurz erklärt: Was waren zentrale Aussagen Kants?

Wie viele andere Denker seiner Zeit versuchte Kant, ein philosophisches System zu schaffen, das alle Dimensionen der Wirklichkeit umfasst: Metaphysik, Erkenntnistheorie, aber auch Ethik, Ästhetik, Logik, Sozialphilosophie und Religionsphilosophie. Für Kant lässt sich das Wesen der philosophischen Reflexion auf vier Grundfragen reduzieren. Diese lauten: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

In der Philosophie Kants steht der Mensch im Fokus. Zum Beispiel die Besonderheit seiner theoretischen Philosophie liegt in der Anerkennung der Rolle, die das erkennende Subjekt im Erkenntnisprozess spielt:

Die Art und Weise, wie der Mensch die Welt sieht, hängt von seinen kognitiven Fähigkeiten ab. Der Mensch kann sich z.B. keine Wirklichkeit jenseits von Raum und Zeit vorstellen.

In der praktischen Philosophie war Kant davon überzeugt, dass der Mensch ein moralisches Wesen ist, weil er rational ist. Wie andere Denker der Aufklärung glaubte Kant, dass Fortschritt in der Welt möglich sei, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Moral. Er war überzeugt, dass der Mensch in der Lage ist, das Böse zu überwinden. Diese Überzeugung Kants war ein Ausdruck des für das Zeitalter der Aufklärung typischen Optimismus.

Inwieweit ist die Denkweise Kants heute aus Ihrer Sicht (noch) relevant?

Zwischen dem Denken der Aufklärungszeit, in der Kant lebte, und dem heutigen Denken gibt es viele Unterschiede, deren man sich bewusst sein muss, wenn man sich mit Kants Schriften auseinandersetzt. Was Kants Weltbild von dem heutigen unterscheidet, ist beispielsweise sein aufklärerischer Optimismus in Bezug auf den Fortschritt der Menschheit, das Zustandekommen des ewigen Friedens oder die Möglichkeit der Überwindung des Bösen. Dennoch gibt es Elemente seiner Philosophie, die noch heute aktuell sind. Dazu gehört zum Beispiel der Respekt vor der Kraft der menschlichen Vernunft und Rationalität. Sie zeigt sich in der Vorurteilslosigkeit in der Welterkenntnis und im konsequenten Aufbau eines Wissenschaftssystems. Außerdem sollte man Aberglauben und irrationale Vorurteile bekämpfen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir das, was wir heute sind, früheren Epochen verdanken, und es lohnt sich daher immer darüber nachzudenken, welche Konzepte der Geschichte der Philosophie uns als wertvoll undfruchtbar erscheinen.

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