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MINT tragen oder studieren? Frauen in TV-Serien haben oft nur eine Wahl

Gestern verlieh die Vereinigung der amerikanischen Drehbuchautoren ihre Preise. Bei den Fernsehserien top: drei Serien, in denen berufstätige Männer die Hauptrollen spielen, nämlich "True Detective", "House of Cards" und "Mad Men". Nur in einer nominierten Serie steht eine weibliche Figur, eine Anwältin, im Mittelpunkt. Bezeichnenderweise heißt die Serie "The Good Wife". 

Weibliche Serienstars sitzen entweder im Gefängnis (Orange ist the new Black) oder werden als hypermoderne Ally McBeal inszeniert. IT Crowd oder Breaking Bad: jeder Informatiklehrer oder Chemielehrer mit etwas Witz freut sich über diese Serien: super Anschauungsmaterial für technische oder naturwissenschaftliche Phänomene. Aber die Stars in diesen Serien sind - wieder mal männlich. Der Fachkräftemangel setzt sich auch auf dem Bildschirm fort. 

In Deutschland ist das ein Dauerthema. Die von der deutschen Bundesregierung eingerichtete Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) stellt in ihrem Jahresgutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2014 fest, dass junge Frauen nur selten Fächer aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) studieren, obwohl ihre schulischen Leistungen sie durchaus dazu befähigten.

Bei den Führungskräften in Wissenschaft und Technik lässt sich dieser Trend in besonders hohem Ausmaß feststellen. Ein rohstoffarmes Land wie Deutschland verschenkt dadurch einen Großteil seiner Innovationskraft. 

Aber wie gelingt es, junge Frauen schon im Schulalter für MINT-relevante Berufe zu begeistern, damit sie den Mut haben, mit guten schulischen Leistungen ein Studium oder einen Beruf in diesem Bereich anzustreben? 

MINT: eine Farbe oder interessante Fächer?

Weder im privaten Umfeld noch in den Medien gibt es bekannte weibliche Rollenvorbilder. Eine Reihe von Studien hat diese Situation im Lauf der Jahre dokumentiert, und eine Trendwende ist nicht abzusehen. In der Fernsehwirklichkeit, für die heutige Generation das, was früher Bücher waren, gibt es noch viel weniger gut ausgebildete Männer und Frauen in MINT-Berufen als in der Realität. Junge Menschen sehen verzerrte „fiktionale Wahrheiten“.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellte schon vor zehn Jahren fest:

  • Nur 1,7% der fiktionalen Figuren im deutschen Fernsehen arbeiten in technischen Berufen, und
  • das sind fast ausschließlich Männer.

Kaum Powerfrauen in Serien

Bleiben wir beim Fernsehen: In Daily Soaps liegt der Anteil nur bei 0,7%, Dienstleistungsberufe sind mit 91% deutlich überrepräsentiert. Wichtig ist das, weil Soaps gerade bei jungen Mädchen in der Phase der Berufswahl beliebt sind. Umgekehrt heißt das:

  • Berufstätige Frauen sind in Fernsehserien an sich unterrepräsentiert;
  • wenn Frauen in Fernsehserien überhaupt arbeiten, dann vor allem in nicht-technischen Berufen.

Das im privaten Umfeld gewonnene, von Technikdistanz geprägte Rollenbild von Frauen wird durch die fiktionale Berufswelt des Fernsehens noch verstärkt.

Die von der TU Berlin durchgeführte MINTiFF-Initiative analysierte das Programm von ARD, ZDF, SAT1, RTL und ProSieben, die gemeinsam einen Marktanteil von 80% erreichen. Fokus der Studie: der dramaturgische Stellenwert von Berufen aus verschiedenen Industriezweigen und deren geschlechterstereotype Darstellung.

Die Untersuchung zeigt, dass Frauen sowohl bei den Hauptrollen als auch bei den Nebenrollen unterrepräsentiert sind. Von den untersuchten 2.515 Fernsehserienfiguren sind 58,1% der Hauptrollen und 58,3% der Nebenrollen von Männern besetzt.

Bei 70% der Hauptfiguren und 63% der Nebenfiguren ist klar erkennbar, welchen Beruf sie ausüben. Berufstätige Frauen werden grundsätzlich wesentlich seltener gezeigt als berufstätige Männer. Aber selbst männliche Haupt- und Nebenfiguren, die in MINT-Berufen arbeiten, sind nur äußerst selten zu finden. Der Prozentsatz fiktionaler männlicher Arbeitnehmer liegt im MINT-Bereich sogar noch geringer als der in traditionell eher weiblichen Genres wie z.B. Geisteswissenschaften oder Soziales und Erziehung.

Im Bereich „Naturwissenschaft/Forschung“ liegt der Anteil männlicher Hauptfiguren bei 66,5%, in der Gruppe „Technik/Architektur/Vermessung/Produktion und Fertigung“ bei 83,3% und in der Berufsgruppe „Transport, Logistik und Verkehr“ sogar bei 100%.

Frauen in Hauptrollen bilden lediglich in den Bereichen „Kunst/Kultur/Gestaltung“ mit 71,5% sowie in „Wirtschaft/Handel/Bank/Dienstleistungen“ mit 52,2% die Mehrheit. Bei Nebenrollen sieht es ähnlich aus. Frauen haben nur bei Medienberufen eine Mehrheit von 54%, wohingegen der männliche Anteil in MINT-Berufen sehr hoch ist: er schwankt zwischen 84,2% und 93,3%.

Beruf spielt für weibliche Serienfiguren eine geringere Rolle

Gravierende Geschlechterunterschiede gibt es beim dramaturgischen Stellenwert des Berufs der Haupt- und Nebenfiguren. Bei 47,3% der Haupt- und 35% der Nebenfiguren steht die Ausübung des Berufs im Zentrum der Handlung. Hier gilt: Bei den männlichen Figuren ist der Beruf eher wichtig als bei den weiblichen.

Neben Krimi- und Justizserien sowie Arzt- und Krankenhausserien sind besonders Daily Soaps bei Jugendlichen beliebt. Hier betreiben die Serienfiguren häufig Hotels oder Gaststätten oder sie sind Kleinunternehmer. MINT-Berufe tauchen kaum auf, und falls doch, sind die Figuren fast ausschließlich von männlichen Darstellern besetzt.

Die traditionelle Vorstellung, dass MINT-Berufe eine Männerdomäne sind, ist also nach wie vor in den Medien präsent, und eine Änderung dieser Situation ist nicht in Sicht.

Quellenangaben:

acatech/Körber-Stiftung: MINT-Nachwuchsbarometer, 2014

ALM - Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland: Programmbericht Fernsehen in Deutschland, 2009

BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung: MINT und Chancengleichheit in fiktionalen Formaten, 2011 (beide Infografiken aus dieser Studie) 

IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Die Berufswelt im Fernsehen, 2005

Unsere Expertin

Heike Appel beschäftigt sich als Referentin an der Hochschule Darmstadt mit dem Thema MINT. Sie untersucht, warum junge Menschen so wenig Interesse an Schul- und Studienfächern aus diesem Bereich haben. Als Informationswissenschaftlerin kommt ihr bei den Hintergrundrecherchen ihr fundiertes Wissen aus dem Gebiet der Wissensvermittlung ebenso zugute wie ihre langjährige Erfahrung als Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines internationalen Verbandes.

Über NIMIRUM sagt Heike Appel: „NIMIRUM bietet mir als Informationswissenschaftlerin mit PR-Hintergrund die Möglichkeit, nicht nur den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, sondern durch die Recherche zu unterschiedlichsten Themen auch mein eigenes Fachwissen zu erweitern.“

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