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Watch My Health Data: Wearables als neue Konsumpflicht?

Smartwatches zählen neben Fitnessarmbändern und Datenbrillen zu den Wearables. So nennt man am Körper tragbare Elektronik im Gesundheits- und Fitnessbereich. Ein Blick auf die aktuelle Statistik zeigt, dass der Absatz von gut 5 Millionen im 2. Quartal 2014 innerhalb eines Jahres auf über 15 Millionen gestiegen ist – also um 200%. Tendenz weiter steigend.

Was bedeutet diese enorm gestiegene Nachfrage? Um das beantworten zu können, sollten wir uns die Kaufmotivation der Kunden anschauen. Und die unterscheidet sich von Land zu Land: Während chinesische Käufer die Apple Watch als Modeaccessoire feiern, sind dem Deutschen ganz andere Features wichtig – Datensicherheit, einfache Bedienung und ein günstiger Preis. Accenture sagt, dem Deutschen ist das Design egal. Andernorts sieht’s anders aus: Allein im 2. Quartal dieses Jahres wurden 4 Millionen Apple Watches abgesetzt.

Fitness-Features und Datensicherheit der Apple Watch

Ein hervorstechendes Feature der Apple Watch ist der optische Pulsmesser. Apple verspricht, dass der Sensor im Boden der Uhr neue und erweiterte Möglichkeiten fürs Tracking der eigenen körperlichen Aktivität ermöglicht. In Verbindung mit dem iPhone kann die Apple Watch Körperhaltung, Kalorienverbrauch und zurückgelegte Strecken messen. Der Nutzer kann sich diese Werte als übersichtliche Statistik anzeigen lassen. Darüber hinaus kann er Zielvorstellungen eingeben und seinen Fortschritt überprüfen.

Die gesammelten Daten lassen sich auf der Health-App des iPhones anzeigen. Und die kann die eigenen Daten auch anderen Apps zugänglich machen. Der Nutzer entscheidet an dieser Stelle selbst. Damit scheint die Verantwortung allein beim Nutzer zu liegen.

Auf der Homepage von Apple kann man sich allerdings darüber informieren, welche Daten Apple selbst sammelt, und wie Apple sie verwendet. Dort erfährt man, dass Apple persönliche Daten auch an Dritte weitergeben kann.

Auch wenn die Uhrenhersteller selbst kein Interesse an den Daten der Nutzer haben sollten, lassen sich Smartwatches vergleichsweise einfach „knacken“, wie US-Forscher für Smartwatches von LG und Samsung nachweisen konnten. Für die Apple Watch steht der Test noch aus. In jedem Fall sollte dem Käufer einer Smartwatch bewusst sein, dass er möglicherweise hochsensible Daten in die Hände Dritter spielt.

Die Gesundheits- App „dacadoo“

Auch ohne Smartwatch lassen sich persönliche Gesundheitsdaten ermitteln. Beispielsweise kann mithilfe der App „dacadoo“ ein „health score“, eine Art Gesamtgesundheitsindex, erstellt werden. Der Nutzer soll sich dadurch einen Überblick über seine momentane Verfassung verschaffen können und Tipps zur Verbesserung seiner Gesundheit erhalten.

Er kann einen Score zwischen 1 (sehr schlecht) und 1000 (hervorragend) erreichen. Ermittelt wird dieser Wert aus Daten zu Lebensstil, momentanem Befinden und Informationen und Daten zu Geschlecht, Alter, Größe, aber auch Gewicht, Blutdruck und sogar Cholesterin- und Blutwerten.

Das psychische Befinden des Nutzers wird per Selbstbeurteilungsfragebogen ermittelt, der Lebensstil durch Werte zu sportlicher Aktivität, Ernährung, Schlaf und Stress. Die sportliche Aktivität wird per Smartphone nachverfolgt. Alternativ kann der User die App auch mit anderen Fitnesstrackern verbinden. Daten zu Ernährung und Stress werden mittels Fragebogen erhoben. Um das Schlafverhalten zu erfassen, muss der Nutzer ein externes Gerät anschließen. All das geht schließlich in den Gesundheitsindex ein.

Persönliche Fitnessdaten in Versicherungen und Unternehmen

Es gibt schon erste Kooperationsvereinbarungen zwischen dacadoo und der AOK Nordost, unter dem Namen „AOK mobil vital“. Dacadoo soll die Versicherten anregen, mehr auf ihre Gesundheit zu achten. Dafür winken Belohnungen in Form einer Gratis-Lizenz für die App. Andere Prämien sollen folgen. Die Krankenkassen erhoffen sich sinkende Kosten durch gesündere Versicherte und natürlich auch Daten über deren gesundheitlichen Zustand. Andere Krankenkassen verfolgen ähnliche Modelle.

Die Firma „SOMA Analytics“ geht noch einen Schritt weiter. Ihre „Kelaa App“ soll gezielt den Stress der Mitarbeiter oder Angestellten bekämpfen. Die App überwacht den Nutzer und hält Stress-Symptome fest. Zum Beispiel indem sie die Stimme während eines Telefonats, das Tippverhalten und den Schlaf analysiert. Letzteres geht allerdings nur, wenn man das Smartphone mit ins Bett nimmt. Bei Anzeichen von Stress informiert die App sowohl den Nutzer als auch den HR-Manager.

Beide sollen, so die Idealvorstellung, dann dem Stress entgegenwirken. Der Nutzer erhält Tipps von der App, wie er Stress reduzieren oder was er zum Ausgleich unternehmen kann. Diese Ratschläge sind individuell. Der Manager soll den Angestellten unterstützen, damit beide davon profitieren: der Nutzer durch mehr Lebensqualität und der Arbeitgeber durch eine effizientere Arbeitskraft.

Preisgabe der Fitnessdaten als Pflicht für alle?

Apps wie dacadoo oder Kelaa verändern den Umgang mit unserer Gesundheit grundlegend. Nutzer der meisten Gesundheits-Apps und Wearables haben ein Interesse an der „Selbstoptimierung“.

Aber fordern auch Dritte, dass wir diese Apps nutzen. In der Sendung „Panorama“ vom 23.04.2015 (zur Sendung, zum Script) äußerte sich Prof. Dr. Harald Welzer kritisch: Wer Daten abgebe, gebe immer auch Macht ab. Dadurch stehen dem Nutzer viele Optionen nicht mehr offen. Und stillschweigend sage der Nutzer auch, dass es ganz ok sei, wenn ihn ständig jemand kontrolliert. Wer sich nicht kontrollieren lässt, macht sich verdächtig.

Da die Technologie neue Normen schafft, wird die Gesellschaft irgendwann fordern, dass jeder sich diesen Normen beugt. Genau das darf aber nicht durch die Hintertür geschehen. Wer sich durch Datenweitergabe Optionen verbaut, muss vorher ein Bewusstsein davon haben, dass er gerade das tut. Sicher werden wir es Geräten und Apps erlauben, immer mehr Daten über unsere Gesundheit zu sammeln.

Die Frage ist jetzt. Welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat die datengestützte Individualisierung von Krankenversicherungs-Angeboten? Werden sich Gesundheits-Apps in Unternehmen durchsetzen? Ist der Chef der beste Gesundheitspartner?

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