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Was soll Nachhaltigkeit sein? Neue Antworten aus der Wissenschaft

Am 6. und 7. Oktober lädt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zum 3. SISI-Symposium (Sustainability in Science) zum Thema „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft“. Das Ministerium setzt damit einen im Jahr 2013 gestarteten Agendaprozess fort, der zum Rahmenprogramm Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) gehört und das Ziel hat, „die Wissenschaft dazu zu ermutigen und befähigen, mehr Nachhaltigkeit in ihrer Arbeit zu verwirklichen.“ Dabei sollen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte im Handeln gleichberechtigt berücksichtigt werden, gemäß dem UN-Leitbild der „Nachhaltigen Entwicklung.“ Dessen bis heute allgemeingültige Definition lautet: „Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können.“

Beitrag der Wissenschaft zu nachhaltiger Entwicklung

Seit der 1992 auf dem Gipfel von Rio verabschiedeten Agenda 21 wird der Wissenschaft eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Lebensweise zugeschrieben:„The sciences are increasingly being understood as an essential component in the search for feasible pathways towards sustainable development.

Unterschiedlichste Wissenschaftsdisziplinen tragen durch ihre Forschung dazu bei. Sie analysieren Entstehung und Auswirkungen des Klimawandels, dessen politische und gesellschaftliche Folgen oder die Frage, wie eine nachhaltige Ökonomie aussehen kann. Neue Technologien und Materialien können einen ressourcenschonenden Lebensstil mit ermöglichen. Nötig ist oft eine transdisziplinäre Forschung, da aktuelle, offene und heterogene Entwicklungen aus verschiedenen Blickrichtungen bewertet werden müssen. Ein Beispiel für Herausforderungen, die aus unterschiedlichen Perspektiven jeweils anders gesehen werden: Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen ist dann nachhaltig, wenn der Anbau nicht mit Agrarprodukten konkurriert, sondern ein sinnvoller Mix aus verschiedensten pflanzlichen Rohstofflieferanten verwendet wird, die unter ökologisch sinnvollen Bedingungen angebaut und dem Anbauenden eine ausreichende ökonomische Grundlage schaffen.

Gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft

Wissenschaft hat eine gesellschaftliche Verantwortung: Mögliche Auswirkungen und Risiken von Forschung – von Methoden wie Ergebnissen – müssen bedacht werden. Wer betroffen sein könnte, sollte Möglichkeiten der Beteiligung und des Zugangs zu Wissen und damit der Bewertung erhalten. Das Projekt Responsible Research and Innovation der EU greift diese und weitere Themen auf und fördert die Arbeit daran mit einer umfassenden Datenbank sowie europaweiten Trainings und Workshops.

Eine Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Lehre ist unerlässlich, um Studierende auf übergreifendes Denken vorzubereiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, Probleme nachhaltiger Entwicklung in interdisziplinären Zusammenhängen erkennen und beurteilen zu können.

Forschung muss selber nachhaltig sein

Wissenschaftliche Forschung ist ressourcenintensiv: Je nach Fachrichtung sind Energie-, Wasser-, Materialien- und Flächenverbräuche besonders hoch. Eine aktuelle Studie schätzt den Energieverbrauch von Anlagen und Geräten in kalifornischen Forschungslaboratorien auf 800 GWh/Jahr. Dies entspricht dem Energieverbrauch von 230.000 Haushalten, also einer Stadt wie Freiburg.

In den letzten Jahren ging der Trend zu mehr Ressourceneffizienz in Bau und Betrieb. Kriterien für den Neubau nachhaltiger Laborgebäude berücksichtigen neben ökonomischen und ökologischen Aspekten auch sozio-kulturelle Faktoren wie Nutzerbedürfnisse und den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. Ein analog aufgebautes Kriteriensystem für ressourcenintensive Großgeräte im Laborbetrieb befindet sich in der Pilotphase. Erste Ergebnisse dazu werden auf dem SISI-Symposium vorgestellt.

Bei alledem müssen auch die Mitarbeiter adressiert werden. In vielen amerikanischen Universitäten werden Naturwissenschaftler durch „Green your lab“-Programme sensibilisiert und praktisch dabei unterstützt, ihren Ressourcenverbrauch einzuschränken. Und auch in der Beschaffung sollten Nachhaltigkeitskriterien angewandt werden, wie es die neue EU-Beschaffungsrichtlinie fordert.

Somit kommt dem Nachhaltigkeitsmanagement einer Forschungseinrichtung oder eines forschenden Unternehmens eine wichtige Rolle zu. Es kann für Strukturen, Prozesse und insgesamt eine nachhaltig ausgerichtete Organisation sorgen, die es dem Einzelnen ermöglicht, seine Arbeit nach nachhaltigen Kriterien auszurichten.

Mit dem Leitfaden Nachhaltigkeitsmanagement (LeNa), der von Fraunhofer-Gesellschaft sowie Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam erarbeitet wurde und der auf dem SISI-Symposium vorgestellt wird, soll ein Rahmen für die Etablierung eines solchen Nachhaltigkeitsmanagements speziell in Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen.

Man darf also gespannt sein auf zwei diskussionsreiche Tage mit sicherlich vielen neuen Ideen, Lösungsvorschlägen, Inspirationen und einem regen Gedankenaustausch, wie die Wege hin zu einer nachhaltigen Wissenschaft aussehen können.

Zur Person: Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt ist promovierte Chemikerin und seit 2014 als Referentin und Beraterin tätig. Sie befasst sich vor allem mit der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeit in der naturwissenschaftlichen Forschung und dem Nachhaltigkeitsmanagement, speziell in Unternehmen aus dem Life-Sciences-Bereich. Sie ist Mitglied bei EGNATON (European Association for Sustainable Laboratories) und an der Erstellung des Zertifizierungssystems EGNATON-CERT beteiligt, das ebenfalls auf dem SISI-Symposium vorgestellt werden wird.

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