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Local Knowledge: Über den "Gaucho" - der Kicker, der Cowboy und ein Kulturgut

Es ist ein bewegendes Bild, das nach dem Halbfinale Brasilien-Deutschland durch die Medienlandschaft wandert: Ein schnauzbärtiger, brasilianischer Fußballfan, der mit tränenverzerrtem Gesicht den vermeintlichen WM-Pokal umklammert. Der selbsternannte „Gaucho na Copa“ („der Gaucho der Weltmeisterschaft“), mit bürgerlichem Namen Clovis Acosta Fernandes, ist der derzeit berühmteste Fußballfan Brasiliens. Trotz Niederlage wünscht er den Deutschen viel Glück, überreichte seine Pokal-Replik sogar einem weiblichen deutschen Fan und postete auf seiner Facebookseite ein früheres Bild von sich und Franz Beckenbauer. Das Finale der WM 2014 steht uns kurz bevor und was titeln die deutschsprachigen Zeitungen in Bezug auf das Endspiel? “Fokussiert auf die Gauchos”, “Diese Gauchos machen uns keine Angst” und „Effiziente ‚Gauchos‘ hoffen auf 3. Titel

Großmütig und tatkräftig

Klar, gemeint ist die argentinische Fußballnationalmannschaft. Aber ist das wirklich so eindeutig? In Argentinien selbst, wird die Mannschaft keineswegs so bezeichnet. Dort lautet ihr Spitzname „Albiceleste“ und bezieht sich auf die Trikotfarbe „weiß-himmelblau“. Dass wir Deutschen im Kontext der WM mit dem Begriff „Gauchos“ also zunächst einmal die argentinische Nationalmannschaft per se assoziieren, hat mit der eigentlichen Bedeutung nur teilweise zu tun. Zwar bezeichnen sich die Argentinier gern selbst als „gauchos“, das spanische Wort gaucho hat darüber hinaus aber noch vielfältigere Bedeutungen. Der Begriff wird im Cono Sur (Argentinien, Uruguay, teilweise in Brasilien) verwendet, um:

1.  einen Menschen als edel, hervorragend, großmütig, großherzig, tüchtig, geübt, versiert oder schlau zu beschreiben

2. die Berufe Landmann, Bauer, Viehzüchter zu bezeichnen

3. Tiere oder Gegenstände als hochwertig oder leistungsgerecht zu benennen

4.  bestimmte Bewohner, meist Reiter oder Viehzüchter, zu bezeichnen.

Argentinien: der Cowboy

Der Begriff gaucho könnte von den Ketschua stammen, als Ableitung von „huacha“ („Waise“ oder „nomadisch“). Diese nomadisch lebenden Menschen wurden vor allem aufgrund ihrer Fähigkeiten als Reiter sehr geschätzt. Auch heute noch sind die gauchos als südamerikanische Cowboys ein wichtiger Teil der Kultur, vor allem in Argentinien. Sie zähmen Pferde, verrichten harte Arbeit in den Bergen und veranstalten Rodeos. Obwohl viele der gauchos mittlerweile zusätzlich in anderen Berufen arbeiten, um ihre Familie versorgen zu können, ist für sie ein Leben ohne Pferde unvorstellbar. Gauchos sind Menschen der Tat, die Körper und Seele beim Zähmen der Pferde in Einklang bringen, wie die Filmemacherin Nadja Richter berichtet. Auch die Einwohner im Süden Brasiliens, in der Region Rio Grande do Sul, werden als gaúchos bezeichnet und versuchen ihre Traditionen als Cowboys aufrechtzuerhalten. Sie beschreiben gaúcho als ein Lebensgefühl, das Gefühl zu einer bestimmten Gemeinschaft zu gehören.

Klischee: Macho

Dieser Gemeinschaft lastet man im übrigen Brasilien aber gern Klischees an, wie z.B. das Trinken bitteren Matetees, das immerwährende Tragen ihrer Reiterstiefel und vor allem die zügellose Machohaftigkeit, die eine ganze Menge an Witzen über die gaúchos heraufbeschworen haben. Kostprobe gefällig?

Der Gaúcho: “Bah, tchê – bei uns in Rio Grande do Sul gibt’s nur richtige Männer”!
Der Mann aus Minas Gerais, der Mineiro, antwortet: “Uai – bei uns in Minas haben wir die eine Hälfte Männer und die andere Hälfte Frauen – und wir leben sehr gut so”!

Der kickende, der reitende, der machohafte Gaucho – all dies verbirgt sich im Begriff, den die Südamerikaner selbst – teilweise ironisch – verwenden.

Unser Kulturcheck: medientauglich. Die Argentinier selbst meinen damit allerdings eher den Cowboy als den Macho (wie im Süden Brasiliens).

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