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Trends auf dem Fleischmarkt in Polen (Ländercheck, Folge 7)

Schweinefleisch und Exporte

Der Markt für Fleischprodukte in Polen ist durch mehrere Besonderheiten gekennzeichnet, die sowohl mit Produktion als auch mit Konsum zu tun haben:

Insgesamt ist beim Fleischkonsum ein steigender Trend zu beobachten. Polnische Verbraucher essen heute deutlich mehr Schweine- und Geflügelfleisch als noch vor einigen Jahren, und dieser Anstieg ist stärker als der seit den 1990er-Jahren anhaltende Rückgang beim teureren Rindfleisch.

Laut Konsumentenbefragungen machen Schinken, Braten/Filetschinken sowie dünne Würste mehr als 75% der Einkäufe an Aufschnitt- und Wurstwaren aus. Beim Frischfleisch dominieren Schweineschulter/Bug und Hähnchenviertel. Zum Grillen werden am häufigsten Würste sowie rohes Fleisch gekauft, gefolgt von Fertigprodukten und Speck.

Zwischen dem alltagsrelevanten Economy-Bereich und dem Luxussegment klafft eine Lücke. Es fehlt an Premium-Produkten, die immer häufiger von Konsumenten im In- und Ausland für besondere Anlässe nachgefragt werden. Hier sind neben dem Preis vor allem Qualität und das Vertrauen in die Marke wichtig.

Auffällig bleibt, dass im EU-Vergleich außerordentlich wenig Rindfleisch konsumiert wird. Dies deutet auf ökonomische Konsumbarrieren hin. Polen essen 2 kg Rindfleisch pro Person; der EU-Durchschnitt beträgt 19kg pro Person. Marketingmaßnahmen zur Steigerung des Rindfleisch-Konsums hatten bisher kaum Erfolg.

Gleichzeitig steigen die Fleischexporte aus Polen. Gesundheitsrisiken (ASF-Virus) und das russische Handelsembargo wirken sich auf diesen Trend nur relativ schwach aus. Der Export in EU-Staaten macht 85% des polnischen Außenhandels mit Schweinefleisch und 90% des Außenhandels mit Rindfleisch aus. Der Konsum in der EU steigt stetig, und polnisches Fleisch bleibt in der EU konkurrenzfähig, was Preis und Qualität betrifft. Der Export könnte in Zukunft dadurch zusätzlichen Auftrieb erhalten, dass in Polen das Schächten erlaubt ist, was für den Inlandskonsum keine Rolle spielt.

Werbung

Wie Werbung aussieht und an wen sie sich richtet, wird sich nach dem Inkrafttreten neuer EU-Verordnungen grundlegend verändern: Sie sollen exportfördernde Maßnahmen in andere EU-Länder begrenzen, während der Export in Drittländer gefördert werden soll. Multinationale Programme werden bevorzugt, sodass vermutlich Zusammenschlüsse von Produzenten aus mehreren EU-Ländern oder Branchenvereinigungen entsprechende Marketingaktionen starten werden. Die Möglichkeiten, die sich aus der EU-Verordnung ergeben, werden bisher noch nicht voll ausgeschöpft. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich das ab Inkrafttreten neuer nationaler Regelungen im Jahr 2017 ändern wird.

Noch konzentriert sich das Auslandsmarketing des polnischen Fleischsektors darauf, nicht-tarifliche STS-Hemmnisse (Sanitary and Phytosanitary Measures) abzubauen und auf diese Weise Markteintritte zu ermöglichen. Das polnische Auslandsmarketing will den Abbau bürokratischer Hürden vorantreiben, die einer veterinärmedizinischen Zulassung polnischer Produkte im Weg stehen. Diese Hürden können polnische Betriebe im Einzelfall vor große Schwierigkeiten stellen und Exportanreize (neue Absatzmöglichkeiten, höhere mögliche Margen) mindern.

Die Konsumenten und ihre Vorlieben

Von allen ostmitteleuropäische Ländern ist das Konsumentenverhalten der Polen dem EU-Durchschnitt inzwischen am ähnlichsten, wobei es aber weiterhin wesentliche Unterschiede gibt. Diese Unterschiede haben vor allem ökonomische Gründe: Die relativ niedrigen Einkommen sind eine Barriere vor allem in Bezug auf teurere Lebensmittel. Zwar sind Verbraucher in Ost- und Ostmitteleuropa und damit auch in Polen immer noch weniger markentreu als Konsumenten in den anderen EU-Ländern, denn Branding braucht sehr viel Zeit. Immerhin sind die Polen unter allen Konsumenten in Osteuropa am markentreusten.

Beim Branding gilt in Polen: Die polnischen Konsumenten sind neuerdings gegenüber den Produktmarken insofern weniger loyal, als dass sie eher experimentieren, indem sie verschiedene Marken einer Produktart austesten. Dennoch legen sie darauf Wert nur die Produkte zu kaufen, deren Marken sie grundsätzlich kennen und zu denen sie prinzipiell Vertrauen haben.

Beispiel: Bisher hat Konsument XY immer das Sortiment seiner Lieblingsmarke „Morliny“ bevorzugt gekauft. Nun kauft er Schweineschinken der Marken „Sokołów“, „Krakus“ und „Kania“, um zu testen, welcher Schinken ihm am besten gefällt. Wenngleich diese Marken nicht aus seiner Region stammen und bisher nicht zu seinen Lieblingsmarken zählten, hat er doch von ihnen gehört und bringt ihnen Vertrauen entgegen. Schinken der Marken „Konspol“ oder „Olewnik“ würde er – in unserem Beispiel – indes nicht kaufen, da er ihnen kein Vertrauen entgegenbringt oder sie nicht kennt.

Marketing und Influencer

Polnische Konsumenten lassen sich mit Angeboten aus dem Fleischsortiment anlocken. Besonders stark beworben werden auch tatsächlich Produkte aus dem Fleischsortiment: Schweineschulter, Hähnchen, Schweineschinken, Schweinekotelett und Schweinenacken.

Zielgruppen sind vor allem die Frauen, da diese in Polen für die tagtäglichen Einkäufe zuständig sind. Nur wenige Männer sind am Alltagseinkauf beteiligt.

Weiterhin gilt: Der Preis bleibt weiterhin das wichtigste Kriterium bei der Kaufentscheidung. Allerdings sind die Konsumenten wählerischer geworden: Die Bedeutung der Qualität als Kriterium ist im Vergleich zu älteren Erhebungen signifikant gestiegen. Immer mehr Verbraucher glauben, dass es sich lohnt, mehr zu bezahlen, wenn die Ware hochwertig ist.

Welche Produkteigenschaften finden polnische Verbraucher beim Fleisch am wichtigsten? Vor allem soll es gut schmecken; außerdem soll es keine Konservierungsstoffe enthalten.

Derzeit dominieren die Eigenmarken der Lebensmittelketten sowohl den Economy- als auch den Premium-Sektor. Identische Produkte erzielen teils den doppelten Verkaufspreis, wenn sie von einer führenden Marke (Superbrand) angeboten werden.

Der Markt für Regionalmarken mit geschützten Herkunftsbezeichnungen ist in Polen erst im Aufbau. Das gleiche gilt für BIO-Produkte. Beide entwickeln sich zwar dynamisch, doch ist das Angebot nicht da, wo die Nachfrage herrscht: Die Anbieter sind im ländlichen Raum geballt und haben aufgrund der erheblichen Distanzen zwischen dem Ort des Angebots und dem Ort der Nachfrage Absatzschwierigkeiten.Eine saisonunabhängige, stabile Absatzkette für Bioprodukte aus der polnischen Landwirtschaft gibt es bisher nicht.

Es mangelt vor allem auch an weiterverarbeitenden Betrieben. Das Angebot trifft bisher weder die Nachfrage eines großen Teils der Konsumenten noch den der großen Handelsketten oder der spezialisierten Bioketten. Dies ist der Struktur der polnischen Landwirtschaft geschuldet, die sich in diesem Bereich aus kleinen, stark ausdifferenzierten Betrieben ohne überregionale Absatzmöglichkeiten zusammensetzt.

Ausblick

Der junge, aktivere und vermögendere Teil der Konsumenten wird das für den europäischen Markt typische Konsumentenverhalten übernehmen. Dazu gehört die Vorliebe für „bequeme“, biologische und regionale Lebensmittel.

Die Nachfrage nach einheimischen Produkten betrifft ältere, wie auch jüngere Konsumentengruppen gleichermaßen, ist jedoch auch innerhalb der Alterskohorten auf unterschiedliche Motivationen zurückzuführen. Angesichts der geringen Kaufkraft der polnischen Konsumenten sind vor allem die niedrigeren Preise einheimischer Ware ausschlaggebend. Neue Untersuchungen werden durchgeführt, sobald neue Regeln zur Produktkennzeichnung in Kraft sind. Diese schreiben eine einheitliche Kennzeichnung polnischer Produkte vor, und zwar ab 2017.

Zur Person: NIMIRUM-Experte Viktor Karpinski analysiert Risiken für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, die mit den „schwierigen Themen“ Stereotype, transnationale Antagonismen und Kontroversen um die historische Vergangenheit zu tun haben und gravierende Auswirkungen auf das Image von Marken und Akteuren haben können.

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