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Kann Höflichkeit verletzen?

Respektvoll, flexibel, zielstrebig -- wie gehen wir miteinander um?

„Kommt doch kurz nach dem Mittagessen zu uns, dann könnt ihr zum Kaffeetrinken wieder zu Hause sein“ (Schwäbische Einladung)

Wer kennt das nicht? Wir sollen höflich sein – aber manchmal verletzen wir jemanden, auch wenn wir uns um beste Manieren bemühen.

Höflichkeit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Erziehung. Es geht um Rituale und Konventionen und um normiertes Handeln. Höflichkeit gehört zur Pflege und Regulierung unserer Beziehungen. Wir sind vor allem deshalb höflich, weil wir Anerkennung ausdrücken wollen und weil wir selbst anerkannt werden wollen.

Versteht man Höflichkeit?

Kommt das beim Anderen immer so an? Höflichkeit hat zwei Gesichter: Sie ist etwas Individuelles (denn jemand Bestimmtes ist höflich) und gleichzeitig etwas Soziales (dieser Jemand richtet sich nach gesellschaftlichen Normen). So entsteht eine Kluft zwischen individuellen Bedürfnissen und sozialen Konventionen. Das merken wir jedesmal, wenn wir glauben, dass wir uns an eine Rolle anpassen müssen. Zur Anerkennung des Anderen gehört manchmal, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse missachten.

Geht es bei der Höflichkeit denn dann überhaupt um Respekt, oder kalkulieren wir nicht immer auch den Nutzen unserer Handlungen mit ein – zum Beispiel wenn wir gegenüber einem Vorgesetzten auffällig höflich sind oder jemandem unsere Hilfe geradezu aufdrängen?

Ein Beispiel: Die Verkehrspolizistin, die uns gerade einen Knollen verpasst hat, wünscht uns einen „Schönen Tag noch!“ Ist das höflich? Nur eine Rolle? Eine Parodie und dadurch unhöflich?

Höflichkeit muss damit umgehen, dass wir einem anderen Menschen nicht in den Kopf schauen können. Wir wissen einfach nicht, wie jemand reagieren wird, weil wir nicht wissen, wie er oder sie sich selbst sieht. Wenn wir einem älteren Menschen im überfüllten Zug einen Platz anbieten, kann dieser beleidigt antworten: „Ich bin aber nicht so alt!“ Hier gibt es eine Kollision zwischen Selbst- und Fremdbild. Wir kategorisieren einen Menschen als alt und schwach, der sich selbst gar nicht so sieht.

Höflichkeit kann also ein Distinktionsmechanismus sein, er kann Hierarchien stabilisieren und Konflikte vermeiden helfen, aber Höflichkeit kann auch verletzen. Dann erschwert sie den menschlichen Umgang, statt ihn zu erleichtern.

Missverständnisse vermeiden -- auf andere Menschen zugehen

Wir können auf die Höflichkeit aber nicht einfach verzichten. Wie soll also eine Höflichkeit aussehen, die nicht verletzt? Eins ist klar: Das höfliche Handeln muss offen gegenüber Revisionen und verschiedenen Anschlüssen sein. Anders ausgedrückt: Unsere Höflichkeit darf nicht eine eingefrorene Form, eine erstarrte Etikette sein. Zur Höflichkeit sollen Aufmerksamkeit, Flexibilität im Umgang sowie Einfühlungs- und Unterscheidungsvermögen gehören. Um im Beispiel zu bleiben: Vielleicht ist es manchmal höflicher, nichts zu sagen und den Sitzplatz im Zug unauffällig zu verlassen. Ein solches feinfühliges Verhalten eröffnet neue Spielräume.

Unsere Kommunikations-Expertin

Dr. phil. Iva Fidancheva wurde in Skopje, Mazedonien geboren und hat Germanistik, Pädagogik und Soziologie in Skopje, Marburg und Jena studiert. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FON Universität Skopje, Lehrbeauftragte an der FSU Jena und an der UIBE Universität Peking. Fidancheva verfasst wissenschaftliche Texte zu verschiedenen Themen und veröffentlichte ebenso zahlreiche literarische Übersetzungen von der deutschen in die mazedonische Sprache. Schwerpunkt ihres Interesses bilden die Sprache und ihre Ausdrucks(un)möglichkeiten, Translatologie, Frauenbilder und Identitätsbildung, Interkulturelle Kommunikation, Migrationsforschung.

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