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Groß, schlank, blond? Wie die Mehrheitsgesellschaft unsere Schönheitsideale verändert

Groß, schlank, blond, natürlich? Gilt dieses Schönheitsideal heute noch – und für alle Frauen in Deutschland? In einer vielfältigen Gesellschaft mit unterschiedlichen Kulturen und Weltanschauungen existieren verschiedene Vorstellungen von Schönheit und Körperbewusstsein – die auch die Schönheitsstandards und das Modebewusstsein der Mehrheitsgesellschaft nachhaltig verändern.

Schön ist, was lokal schön ist

Denn was „schön“ ist, sieht jeder anders. Während beispielsweise Asiatinnen gern ihren hellen Teint schützen, stürzen sich Europäerinnen unter die Sonne (was aber auch mal anders war!). Während gebräunte Haut in Europa Attraktivität und Wohlstand bedeutet, deutet es in der asiatischen Welt auf Armut hin und ist damit unattraktiv. 
Vorstellungen von Schönheit, das Modebewusstsein und der Umgang mit dem Körper können auch innerhalb einer Gesellschaft variieren, insbesondere dann, wenn in dieser unterschiedliche Kulturen ihre Heimat haben. Das finden nicht alle gut, wie die gegenwärtig aufgeheizte politische Lage zeigt. Aber Unternehmen, die mit ihren Marken und Produkten verschiedene Zielgruppen ansprechen wollen, müssen die tatsächliche Diversität dieser Zielgruppen auch ernst nehmen.

Multiethnische Metropolen geben den Fashion-Takt an

Das gilt auch für Märkte im lokalen Sinn: Die Metropolen werden vielfältiger – und die Metropolen sind es, die die großen Trends in der Mode setzen. Marken wie Benetton haben das sehr früh erkannt und ethnische Diversität als Unternehmensphilosophie etabliert. Heute zeigt Benetton nicht nur Models aus verschiedenen ethnischen Gruppen, es konstruiert mit seiner Kampagne „Face of the City“ ein „Gesicht“ -- das die vielen Ethnien, die in der gleichen Stadt leben, repräsentieren soll.

Aber aufpassen: Mir geht es nicht um Ethnomarketing, also das Ansprechen einer gezielten ethnischen Gruppe innerhalb einer Gesellschaft – sondern um das Bewusstsein, dass sich Schönheitsnormen nicht nur von Kultur zu Kultur unterscheiden, sondern dass unterschiedliche Kulturen innerhalb einer Gesellschaft existieren, die sich gegenseitig beeinflussen.

Entortung der Schönheit im World Wide Web

Globalisierung und Soziale Medien führen gleichermaßen dazu, dass Schönheitsnormen, -trends und -praktiken aus anderen Ländern in unsere Gesellschaft schwappen. Der US-amerikanische Reality-Star Kim Kardashian und ihre Familie haben die Beautyworld mit ihren kurvigen Körpern und ihren Schminktechniken (Highlighting/Contouring) revolutioniert. Frauen unterschiedlicher Herkunft weltweit orientieren sich weniger am britischen Topmodel Kate Moss, die dünn und groß und mit einer natürlichen Frisur auftritt, sondern an den Kardashians: orientalisch, stark geschminkt und mit perfekten Frisuren.

Dadurch ist der Absatz von Haircare-Geräten wie Glätteisen und Lockenstab in Deutschland in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Frauen in Deutschland gehen zwar im europäischen Vergleich seltener zum Friseur. „Lediglich fünfmal jährlich investieren die Damen hierzulande durchschnittlich 40 Euro für eine neue Frisur, während den deutschen Männern ihr Haar sechsmal jährlich gerade einmal 15 Euro wert ist.”
Allerdings hat sich der Markt im Bereich Haircare vergrößert, so zeigt sich ein Umsatzzuwachs von 2007 auf 2008 von 20 %. Mit Haircare-Geräten wurden 2007, 108 Millionen Euro umgesetzt, im Jahr 2006 waren es noch 91 Millionen.

Der Austausch über Soziale Medien führt zu mehr Interesse daran, wie Frauen sich in anderen Ländern, Regionen und Kulturen ihre Haare stylen. Hier werden neben „klassischen“ Celebrities auch internationale Modeblogger und It-Girls bedeutend, die Trends im Bereich Beauty und Haare setzen. Stil-Ikonen wie Kendall Jener und Gigi Hadid und internationale Bloggerinen wie die schwedisch-marokkanische Bloggerin Kenza Zouiten und die Italienerin Chiara Ferragni spielen eine wichtige Rolle. Maßgeblich durch ihre Frisuren setzen sie Trends und animieren junge Frauen dazu, auch ihre Haare zu glätten oder „lockig“ zu frisieren. Die Bloggerin HappySundayFlowers (über 549 000 Abonnenten auf Youtube) zeigt ein Video, in dem man den „Look“ von Chiara Ferragni stylen kann – und das wurde über 110-000 mal abgerufen.

Zuwanderung und die Mehrheitsgesellschaft

Globalisierung und Zuwanderung haben die Beauty- und Modewelt in Deutschland verändert. Ein Banker lässt sich seinen Bart im Frankfurter Bahnhofsviertel von einem türkischen Barbier rasieren. Junge Frauen haben das Sugering, also die Warmwachsenthaarung bei de

n Brasilianerinnen entdeckt. Und ihre Augenbrauen vertrauen sie Araberinnen, Pakistanerinnen oder Türkinnen an – die mit der Fadentechnik die perfekte Form gestalten können. Während Streetwear wie Sneakers und Bomberjacken erst von jungen Menschen mit Migrationshintergrund getragen wurden, haben sie es inzwischen auf die Laufstege geschafft. Sie sind in der Mehrheitsgesellschaft angekommen.

Insbesondere die junge Generation, die selbstverständlich Freunde und Klassenkameradeninnen mit Wurzeln aus Italien, Griechenland, Libanon oder Polen hat und mit Sozialen Medien aufwächst, nimmt Schönheitspraktiken und Modetrends viel selbstbewusster auf. Modebloggerinnen orientalischer Herkunft sprechen auf Youtube auch Mädchen deutscher Herkunft an.

Die Zukunft der Modebranche – egal ob es um Haare, Makeup oder Kleidung geht – wird in den großen Metropolen der Welt entschieden, in denen die Vielfalt an Kulturen und Weltanschauungen neue Trends setzt und vorlebt.

Auf dem Markt werden jene Marken, Produkte und Unternehmen zukunftsweisend sein, die ihre Unternehmensphilosophie und Kommunikation an der post-multikulturellen Realität ausrichten und ihre Zielgruppen als vielfältig, kosmopolitisch und transnational betrachten. Von dieser Annahme gehen wir auch in diesen Tagen aus.

Zur Person: Cigdem Toprak studierte Politikwissenschaften in Darmstadt sowie Conflict Resolution Studies in Istanbul und London. Heute ist sie freie Journalistin und beschäftigt sich mit den kulturellen und politischen Umständen in Deutschland und der Türkei. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt und Istanbul.
Mehr zu ihrer Arbeit unter: http://cigdemtoprak.de/

Foto: Ebru Tavli

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