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Future of Finance: Fintechs – Vorsicht am Bahnsteig!

Über Fintechs wird gern und viel geredet. Großes wird von kleinen Apps erwartet - eine Revolution des Finanzwesens und unseres Geldes. Beim Geld ist Vorsicht geboten, doch dass die Liste der Fintech Fails länger wird, steht eher für die Innovationsfreude und gehört zu neuen Entwicklungen dazu. Etablierte Banken und Aufseher nehmen Fintechs nicht nur wegen ihrer Chancen ernst. Man befürchtet Verwerfungen im Finanzsystem und vor allem für Nachzügler einen stärkeren Sog, wenn der Zug einmal richtig losrollt.

Denken Sie noch an MyWallet, die digitale Brieftasche der Telekom für eine "Welt ohne Bargeld"? Ende 2016 wurde das Experiment eingestellt. Erinnern Sie sich noch an Yapital, die bereits 2011 gegründeten Tochter des Handelskonzerns Otto, die laut dieser Schlussanalyse aus der "Gründerszene" Probleme lösen wollte, die es womöglich nicht gab? 

Wie steht es mit Avuba? Oder mit Cookies? Immerhin wurde nach der Cookies-Insolvenz das offenbar fähige Team von Klarna übernommen, dem mit 1.400 Mitarbeiten nicht eben erfolglosen schwedischen E-Commerce-Zahlungsdienstleister. Er übernimmt Zahlungsansprüche von Händlern und wickelt sie mit den Kunden ab, für mindestens 20 Prozent aller Online-Einkäufe in Schweden und in Deutschland unter anderem für das Immobilienunternehmen McMakler.

Konstruierte Konflikte

Über hierzulande Gescheiterte lästern bringt dabei wenig. Man sollte genau hinschauen - auf Fehler und Erfolge im In- und Ausland. Denn letztere scheint es auch in Deutschland zu geben: Fintech-Starter wie die expandierende "Smartphone-Bank" N26 mit inzwischen 300.000 vor allem jungen Kunden werden etablierten Banken gefährlich; oder die solarisBank, die sich neben Internet-Märkten und E-Commerce auch um Fintechs selbst als Kunden kümmert.

Beide sind mittlerweile mit einer eigenen Banklizenz unterwegs und nicht länger von sonst üblichen Kooperationen mit lizensierten "echten" Banken (White Label Banking) abhängig. Der Gegensatz zwischen Fintechs und Banken schwindet, wenn es ihn je gab: "Fintechs bewegen sich irgendwo zwischen Disruption und Anpassung", heißt es bei der hier ausgiebig zitierten "Gründerszene": Banken und Fintechs setzen vermehrt auf Kooperation statt auf Konfrontation; und einen Konflikt zwischen Fintechs und Banken gibt es nicht mehr.

Mittlerweile finanzieren etablierte Banken und Beratungshäuser ein Startup-Zentrum in Frankfurt/Main, das zum Fintech-Magneten werden soll. Das Bundeswirtschaftministerium fördert Fintech-Startups über EXIST, und die Szene arbeitet trotz gelegentlicher Differenzen mit der Finanz-Aufsicht zusammen. Auch größere Finanzierungen sind inzwischen zu sehen, und Fintechs stehen zunehmend in Konkurrenz zu Banken und größeren Online-Playern. Etablierte greifen an, vor allem beim Smartphone-Konto, wie die Sparkassen mit ihrem Yomo-Projekt. 

Gerade Yomo mag zwar auch zeigen, wie gewisse Strukturen die Entwicklung bremsen. Und ja, etablierte Banken und ihre Unternehmenskultur stehen sich oft selbst im Weg. Doch sie mischen jetzt kräftig mit bei dieser fundamentalen Umwälzung der Branche durch Technologie.

Es riecht nach Normalität, wenn Fintechs für etablierte Banken zunehmend als das erscheinen, was sie für die "Alten" im besten Fall sein können: Entwickler-Teams ohne Schere im Kopf, die vorerst auf eigene Rechnung und Risiko innovative Lösungen entwickeln können - als Labore und Experimente, die sich etablierte Banken noch nicht leisten können oder wollen.

Und sollte eines davon durchstarten, sollten große Banken doch immer noch das nötige (Klein-)Geld haben, sich die schönste Rosine herauszupicken - sie also zu kaufen oder sie nachzubauen. Wo sonst gilt denn, wenn nicht in dieser Branche, dass size matters?! 

Die "Alten" müssen vor allem die Augen offen halten und genau hinsehen. Sie sollten sich die Projekte anschauen und immer mal wieder auch den Fintech-Friedhof. Einige, die dort liegen, waren vielleicht nur zu früh geboren und hätten im Bauch einer Bank gut reifen können.

Bargeld bleibt

Auch der notorische Verweis, dass die Deutschen einfach Bargeld lieben und es Fintechs deshalb in Deutschland schwerer haben - sticht nicht. Bargeld und digitales sind - zumindest innerhalb einer Währung - nur zwei Seiten einer Münze. Man kann Bargeld und digitales mögen, was die meisten Deutschen auch tun: Sie nutzen Bargeld und Karten nahezu gleich gern, und den größten Teil ihres Geldes verwalten sie schon lange digital und online, ohne Bargeld.

Mit Karten können sie an Supermarktkassen inzwischen Bargeld abheben und im selben Moment kleinere digitale Zahlungen durch Vorhalten der Karte, ohne Unterschrift oder PIN autorisieren. Viel schneller muss das nicht mehr werden. Und es gibt sogar Fintechs, die Online-Einkäufe per Barzahlung ermöglichen und Barzahlen eigens im Namen tragen.

Auch der angebliche Konflikt zwischen Bargeld und digitalem ist konstruiert - als eine Werbebotschaft von Fintechs und Zahlungsdienstleistern, wovon es im Alltag noch viele neue sicher nicht mehr braucht. Dass wir im Alltag bald ganz auf Bargeld verzichten, dürfte eine Illusion sein. Kein smarter Zahlungsdienstleister kann bisher zentrale Versprechen einlösen - schneller, billiger, praktischer und dabei sicherer zu sein - überall und an jedem Point of Geldverkehr. Und es ist durchaus fraglich, ob das jemals möglich wird. 

In vielen Fällen des alltäglichen Geldverkehrs ist nichts schneller, billiger, praktischer und sicherer als eine Barzahlung, zumindest solange man den Zugang zu Bargeld nicht erschwert. Es einfach als das Alte zu sehen und digitale Zahlungen als neu und darum besser, mag zwar nahe liegen. Solches Denken kann aber in dieselbe Falle führen, in der etwa das Digitalradio nun bald seit 20 Jahren steckt. UKW-Radio ist so simpel und praktisch, dass der Mehrwert des neuen digitalen einfach nicht ziehen will. Vor allem deshalb gab es keinen Durchbruch.

Natürlich ist in vielen ebenso alltäglichen Fällen digitales Bezahlen praktischer und sicherer. Nicht jede Summe will man persönlich überbringen oder annehmen. Ja, Überweisungen könnten schneller werden. Und wenn das mit Blockchain-Währungen zur Verrechnung sicher funktioniert, sogar ins Ausland zu vertretbaren Kosten - dann immer her damit! Dann übrigens wären wir dem neuen Geld auch wirklich ein Stück näher als mit Paypal ("Das neue Geld"). Paypal wurde schließlich im Schlepptau von Ebay zum größten Zahlungsdienstleister, nicht weil sein Service schneller oder billiger wäre als direkte Überweisung - vor allem nicht für deren Empfänger.

Worauf es wirklich ankommt

Es kommt darauf an, was wirklich nützlich ist und was Menschen deshalb wollen. Das zeigen auch die Beispiele gescheiterter Fintechs und die der funktionierenden: Entscheidend für ihren Erfolg ist, ob sie etwas ermöglichen, das es bisher noch gar nicht oder nur für wenige Menschen gab - oder ob sie etwas wirklich sehr viel besser können als die bisher verfügbaren Angebote.

Next Steps

Nur Geld hin- und herbuchen und die Bewegungen in einer App anzeigen, das ist noch nicht viel. Bei echter mobiler Kontoführung, trotz der Zögerlichkeit deutscher Banken bei Blockchain-Technologien vielleicht bald auch dezentral (Distributed Ledger), sowie bei neuen Services wie dem Factoring und einigen anderen ist die Branche aber schon weiter.

Auch bei dem schwierigeren Thema digitale Versicherungen (Insurtechs), regt sich etwas. Anfang dieses Jahres startete der Branchenprimus seine Allianz X als "Company Builder" und Investor, um innovative Insurtech-Modelle zu entdecken, zu entwickeln und den Aufbau von Unternehmen zu unterstützen - mit nicht weniger als 430 Millionen Euro.

Bei den ebenfalls etwas heißeren Themen wie Kreditvergabe und Anlageberatung ist unterdessen noch viel Luft drin. Robo Advisors wie Ginmon stecken in Deutschland noch in den Kinderschuhen und das gilt laut Bundesbank auch für Crowdinvesting und Crowdlending.

Etwas mehr Schwung mit etwas offeneren Schnittstellen zu den Systemen der etablierten Banken könnte vielleicht die 2018 in Deutschland in Kraft tretenden PSD II bringen - die zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie. Dann erst zeigt sich vielleicht, was etablierte Banken und ihre neue Konkurrenz noch im Köcher haben - und ob es wirklich eine Revolution gibt.

Disruptives Potenzial

Revolutionär wäre systemrelevant. Reine Zahlungsdienstleistungen oder Lösungen nur für begrenzte Aspekte des Geldverkehrs - wie viele Fintechs - sind es meist nicht. Sucht man den wahren "Hot Stuff" unter den Fintechs, kann man dabei auch den Blicken derjenigen folgen, die sich im Auftrag der Allgemeinheit um Systemstabilität sorgen - der Bafin und Bundesbank.

Letztere widmete im Finanzstabilitätsbericht 2016 den Fintechs ein eigenes ausführliches Kapitel. Eine allzu enge Definition dessen, was man sich darunter vorstellt, vermied sie dabei - vernünftigerweise, denn "der Fintech-Bereich befindet sich noch im Anfangsstadium seiner Entwicklung". Gleichwohl attestiert die Bundesbank ihm durchaus das Potenzial, "die Erfüllung von Kernfunktionen des Finanzsystems zu verändern", weshalb sie eine "makroprudenzielle Überwachung trotz geringer Größe" frühzeitig für angebracht hält.

In der Sprache der Bundesbank sollte das Augenmerk "auf Anreizproblemen wie Informationsasymmetrien oder Principal-Agent-Problemen, auf möglichen Externalitäten, Risikoverlagerungen und der Veränderung potenzieller Ansteckungskanäle liegen. Hierbei sind aufgrund ihres starken Wachstums unter anderem technologische Finanzinnovationen in den Bereichen der Kreditintermediation und der Vermögensverwaltung von Bedeutung. Dies betrifft die plattformbasierte Mitteleinwerbung (Crowdfunding), insbesondere die plattformbasierte Kreditvergabe (Crowdlending) sowie die automatisierte Anlageberatung, Anlage- oder Abschlussvermittlung oder Portfolioverwaltung (Robo Advisory Services)."

Obwohl bisherige Versuche eher Verbraucherschützern graue Haare machen, nennt die Bundesbank ausgefeiltere Robo Advisors in ihrem Bericht durchaus als Beispiel potenziell auch systemischer Risiken für die Finanzstabilität: "Eine stärkere Automatisierung durch Robo Advisors (...) kann die Prozyklizität erhöhen, wenn gleichgerichtete Risikopositionen oder gleichgerichtetes Verhalten (Herdenverhalten) befördert werden."

Dass Bundesbank und Bafin die Fintech-Szene aufmerksam beobachten, ohne schon Systemrelevanz zu sehen, liegt zum einen an ihren allgemeinen Aufträgen, dürfte aber noch weitere Gründe haben: 1. Unsicherheit über die Frage der Systemrelevanz, 2. vermutetete Potenz in dieser Hinsicht und 3. die Tatsache, dass die Entwicklung außerhalb Deutschlands schon etwas fortgeschrittener ist. Für den Finanzmarkt eines Nachzüglers bedeutet dies, dass Anpassungsdruck recht plötzlich entstehen und dann sehr schnell stark werden kann - und damit auch der Handlungsdruck auf Institutionen, die für Systemstabilität sorgen sollen. Unterschätzt werden Fintechs jedenfalls nicht. Sie zu überschätzen, dürfte weniger problematisch sein.

Unsicherheit bleibt

Mit der Umsetzung der neuen neuen EU-Richtlinie in deutsches Recht wird auch festgelegt, welche Sicherheitskriterien mobile Dienste erfüllen müssen. Dass es in Fragen der Sicherheit in der jüngeren Vergangenheit eine ganze Reihe von Problemen gab, ist bekannt. Der Informatiker Vincent Haupert von der Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hatte schon mehrfach auf Sicherheitslücken bei Finanz-Apps hingewiesen - am bekanntesten das Beispiel N26.

Die jüngste Ausgabe des "Zeit"-Magazins zum Thema Geld zitiert ihn nun mit den Worten: "Es ist schockierend, wie viel Wert die Anbieter auf Benutzerfreundlichkeit legen und wie wenig auf Sicherheit." Aus seiner Sicht merken Nutzer zwar schnell, wie sich eine App nutzen lasse. Sie erfassten jedoch kaum, ob sie auch sicher sei. Wenn jedoch Kunden sich damit kaum befassten, führe das leider auch dazu, dass viele Anbieter noch viel zu wenig in Sicherheit investierten.

Haupert hält nach derzeitigem Stand nur Zwei-Geräte-Authentifizierungen für ausreichend sicher. Riskant sei es, wenn diese innerhalb einer App stattfinden oder nur über ein Gerät - wie es eben auch die PSD II erlauben wird: "Über solche Apps könnten die Angreifer Ultra-Asche machen", meint Haupert: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie es versuchen" - und bis allzu sorglose Geldinstitute daran scheitern werden.

Ob biometrische Daten solche Probleme lösen können, ist vorerst noch Zukunftsmusik. Trotz einer Umfrage, wonach die Deutschen etwa dem Bezahlen per Fingerabdruck aufgeschlossen gegenüber stehen, dürfte die Frage offen sein, ob sich im Ernstfall wirklich Mehrheiten dafür entscheiden, biometrische Daten von Finanzdienstleistern jeder Art speichern zu lassen. Das ist eine große Vertrauensfrage - wie Geld an sich eine Frage des Vertrauens ist.

Neues Geld?

Kryptowährungen bespricht die Bundesbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht übrigens nicht. Allein die Begriffe "virtuelle Währungen", "Bitcoins" und "digitale Währungen" tauchen an nur einer einzigen Stelle und in einer Fußnote zur Illustration von Blockchain-Anwendungen auf.

Nun mag es für eine dem Euro verpflichtete Notenbank nonchalant sein, sich hier nicht zu äußern. Vielleicht hält man Bitcoins und Ethereum auch für nicht relevant - angesichts einer Marktkapitalisierung der beiden bekanntesten Digitalwährungen von nur einem Bruchteil derer von Dollars, Euros oder anderen staatlichen Währung. Man darf aber davon ausgehen, dass die Bundesbank von privater dezentraler Geldschöpfung ohne institutionelle staatliche Kontrolle an sich nicht viel hält. Zumal Privatgeld - abgesehen von der neuen Technik - nichts Neues ist.

Mit Fintechs verbunden ist jedoch auch die Erwartung, sie könnten ganz neuartiges Geld kreieren. Die jüngsten Entwicklungen bei den Kryptowährungen sind allerdings nicht eben Vertrauen erweckend. So lange noch gerätselt werden muss, was der jüngste Kursfall bei den Kryptowährungen eigentlich bedeutet, so lange dürften sie noch sehr weit entfernt von einer Übernahme der Geldfunktion sein. Dabei spielen gewichtige Fragen eine Rolle, die sicherlich einer gesonderten Besprechung bedürften.

Aus Sicht von Morgan Stanley wären weniger Anonymität und mehr staatliche Aufsicht und Regulierung nötig, was der Idee der Kryptowährungen eigentlich zuwider läuft. Auch Blockchain-Experte Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & Management ist vorerst eher skeptisch, obwohl er innovative Blockchain-Fintechs "außergewöhnlich spannend" findet.

Vorerst vertrauen wir aber, trotz berechtigter Zweifel, weiter dem Geld von Staaten und Staatengemeinschaften - solchen, denen man angesichts ihrer Größe (size matters) und der Qualität ihrer Institutionen zumindest zutrauen darf, bis zu einer gewissen Grenze für ihre Schuldscheine namens Geld einstehen zu können - und zwar mit nicht weniger als den besteuerbaren Einkommen und Vermögen in ihrem Machtbereich. Denn letztlich ist es ja wohl auch das, was EZB-Präsident Marion Draghi meinte mit seinem whatever it takes...

Fintechs indes dürften sich an einer Übernahme der Geldfunktion vorerst noch verheben. Technik allein kann die Vertrauensfrage noch nicht lösen. Mit den Fintechs werden wir so wohl die Art unseres Umgangs mit Geld ändern, das Geld selbst aber so schnell nicht.

Portrait von Prof. Florian Kunze

Zur Person: Kristian Schulze arbeitet als Journalist, Redakteur und Reporter in Leipzig, wo er Journalistik und neuere Geschichte studiert hat.

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Anja Mutschler

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