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Fokus Frankreich: Innovationen im Bildungsbereich - bitter nötig

Ungebrochen spürbar ist die Wirtschaftskrise in Frankreich. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt mit 24,1 % extrem hoch. Fachkräftemangel, Generationenkonflikt und soziale Spaltung sind die Folge eines strukturell überforderten Bildungssystems. Innovationen im Bildungsbereich sind bitter nötig.

Das französische Schulsystem ist zwar stark zentralisiert. Soziale Unterschiede kann es aber nicht ausgleichen. Die Kluft zwischen sehr leistungsstarken und sehr leistungsschwachen Schülern ist tief. Das allgemeine Leistungsniveau hat laut PISA-Studie im internationalen Vergleich abgenommen. Aktuelle Reformen beschäftigen sich mehr mit der Anzahl der Wochenstunden und den Ferienzeiten als mit inhaltlichen und systemrelevanten Fragen.

Frankreichs Bildungssystem vertieft die Spaltung der Gesellschaft. Anders als in Deutschland gehen zwar alle Schüler bis zum fünfzehnten Lebensjahr gemeinsam auf das collège. Aber das Niveau jeder einzelnen Schule ist stark abhängig vom Wohnort.

Soziale Spaltung

Die wirklich gravierenden Schwierigkeiten beginnen später, nämlich bei der Wahl des lycées, das der gymnasialen Oberstufe entspricht. Das französische Abitur ist in ganz Frankreich inklusive der Überseedepartements gleich, aber das Niveau des Unterrichts variiert je nach Einrichtung stark. Um an einer der berühmtesten Schulen in Paris, am Lycée Henri IV, aufgenommen zu werden, ziehen einige Eltern absichtlich in einen anderen Stadtteil – oder sie kaufen dort zumindest eine Wohnung. Die Schüler müssen außerdem harte Aufnahmeprüfungen bestehen. An vielen Vorortgymnasien liegt das Leistungsniveau der Schüler sehr viel niedriger. Die Selektion findet also nicht wie in Deutschland nach der Schulform statt, sondern nach der jeweiligen Einrichtung.

Etwa drei Viertel aller französischen Schüler machen Abitur. Die Schüler im klassischen Abiturzweig wählen zwischen einem naturwissenschaftlich-mathematischen, einem literarischen und einem sozialwissenschaftlich-wirtschaftlichen Schwerpunkt. Das naturwissenschaftliche Abitur zieht die besten Schüler an. Sie wählen oftmals nicht nach Neigung, sondern nach ihrem Berufswunsch. Die leistungssschwachen Schüler finden sich tendenziell in den technologischen und berufsbildenden Abiturzweigen (bac technologiques und bac pro). Praxisorientierte Ausbildungen werden dadurch weiter abgewertet.

Diese Entwicklung setzt sich nach dem Abitur fort. Während die leistungsstarken Schüler meist eine grande école, eine Eliteschule besuchen oder an einer staatlichen Universität Medizin oder Jura studieren, nimmt das Niveau an den anderen Fächern an den Universitäten oder Fachhochschulen ab. Die grandes écoles bringen hervorragende Absolventen hervor, die sich weltweit mit den besten messen lassenkönnen. Abgesehen von dieser kleinen Elite in den Bereichen Ingenieurwesen, Medizin und Verwaltung haben viele andere Absolventen Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, selbst mit Master-Abschluss.

Skills Society Frankreich?

Die Entwicklung zur Skills society geht in Frankreich nur schleppend voran geht. Vielfach wird am Bedarf des Arbeitsmarkts vorbei ausgebildet. Praxisorientierte Ausbildungen haben einen schlechteren Ruf.

Daher bewerben sich Schüler und Studenten auch eher bei hoch angesehenen Bildungseinrichtungen als bei solchen, die der eigenen Neigung entsprechen oder die arbeitsmarktrelevante Fächer anbieten. Um an einer der prestigeträchtigen Eliteschulen angenommen zu werden, müssen Aufnahmetests in verschiedenen Bereichen absolviert werden. Sie bestehen aus Wissensfragen aus unterschiedlichsten Bereichen, größtenteils ohne direkten Bezug zum zukünftigen Tätigkeitsfeld. Dabei werden Generalisten gegenüber Spezialisten bevorteilt; dies mag für reine Verwaltungskarrieren angemessen sein, bereitet aber nur bedingt auf eine Laufbahn in der Privatwirtschaft vor.

Die französische Regierung hat mehrere Programme im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ins Leben gerufen. Die contrats aidé sollen insbesondere jugendlichen Arbeitslosen aus sozial benachteiligten Schichten oder mit Migrationshintergrund den Eintritt ins Berufsleben erleichtern. Positive Wirkungen sind bisher ausgeblieben.

Um eine angemessene Antwort auf die Wirtschaftskrise und die damit verbundene Jugendarbeitslosigkeit geben zu können, kann Frankreich es sich nicht länger erlauben, sich nur um eine kleine Elite zu kümmern, während ein Großteil der jungen Menschen auf der Strecke bleibt. Grundlegende Veränderungen des Schul- und Bildungssystems sind dafür notwendig, insbesondere praxisorientierte und technische Ausbildungen sollten aufgewertet werden.

Unsere Frankreich-Expertin Julia Burmeister: 

Julia Burmeister ist im Bereich internationale Bildung tätig. Ihren Schwerpunkt Auswärtige Bildungs- und Kulturpolitik verfolgt sie seit ihrem Abschluss im Fach International Relations with International Law an der University of Kent.

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