Blog-Eintrag -

Debatte Raucherentwöhnung - eine gesundheitspolitische Herausforderung

Auch nach der Einführung zahlreicher Rauchverbote ist das Rauchen eine gesundheitspolitische Herausforderung. Die zentrale Frage: Ist das Rauchen eine Sucht und ist diese Sucht eine Krankheit? Oder gehört Rauchen zum Lifestyle? Die Auswirkungen der verschiedenen Antworten sind enorm, denn sie beeinflussen, wie Krankenkassen mit Rauchern umgehen müssen.

Hintergrund: Der Staat ist verpflichtet, die Bevölkerung vor Gefährdung zu schützen. Dazu zählt die Gesundheitsgefährdung, also muss der Schutz vor Krankheiten gewährleistet werden. Das garantiert das deutsche Grundgesetz in Artikel 2 im Rahmen des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Diese Unversehrtheit gilt auch für Nichtraucher, die durch Passivrauchen unfreiwillig gefährdet werden.
Inwiefern das Rauchen eine Gesundheitsgefährdung ist, bleibt zu diskutieren, weil es nicht nur psychische Abhängigkeit hervorruft, sondern auch physische Leiden erzeugen kann. Wissenschaftlich ist ein kausaler Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und Gesundheitsschäden nachgewiesen. Es heißt sogar, dass sich die Lebenserwartung bei Rauchern um ca. 10 Jahre verringern kann. Diese Problematik erzeugt an Schnittstellen zwischen Medizin, Industrie und Politik Kontroversen.
Auf welchem Stand befindet sich also der Streit ums Rauchen und Nichtrauchen? Der Rüsselfisch recherchiert.

Rauchen als Lifestyle?

Immer weniger Menschen in Deutschland rauchen. Einige Zahlen hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hier veröffentlicht. Für den Wandel gibt es verschiedene Gründe:
1. Es gibt weniger Werbung.
2. In den Medien sieht man weniger sympathische Raucher.
3. Durch das Nichtraucherschutzgesetz ist Rauchen im öffentlichen Raum weniger sichtbar.
Obwohl das Image des Rauchens sich geändert hat und die Tabakpreise gestiegen sind, ist das Rauchen aber nicht zum sozialen Randphänomen geworden.
Noch vor wenigen Jahren galt das Rauchen als Ausdruck der Persönlichkeit, des freien Willens, quasi als Grundrecht eines jeden Menschen, der frei über seinen Gesundheitszustand bestimmt. Nichtrauchen hatte eher den Ruf der Abstinenz, der Askese und des moralisierenden „Spielverderbens“. Heute scheint sich dieses Ansicht umgekehrt zu haben. Nichtraucher nehmen die Chance zur persönlichen Lebensgestaltung so wahr, dass das Nichtrauchen ein Ausdruck der Selbstbestimmung geworden ist.

Diese Einstellung verschiebt sich von der individuellen auf die soziale Ebene: Die Auswirkungen des Rauchens auf die Solidargemeinschaft werden immer kritischer betrachtet. Raucher erfahren Ablehnung oder Ausgrenzung. Sie hören immer öfter den Vorwurf, die Gesellschaft an finanzielle Grenzen zu bringen.

Krankenkassen und Raucher 

Was können Menschen tun, die das Rauchen aufgeben möchten, und welche Unterstützung erfahren sie vom Gesetzgeber? Wer aus privaten oder gesellschaftlichen Gründen aufhören will zu rauchen, kann sich an Selbsthilfegruppen wenden. Diese können die Kosten für die Raucherentwöhnung aber nicht bei den Krankenkassen geltend machen, denn Rauchen ist keine anerkannte Sucht.
Laut Sozialgesetzbuch können Selbsthilfegruppen zur Prävention oder Rehabilitation bei Suchterkrankungen von den Kassen gefördert werden. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Selbsthilfeorganisationen haben im Leitfaden zur Selbsthilfeförderung entsprechende zu fördernde Krankheiten aufgeführt. Tabak wird dort aber nicht genannt. Suchterkrankungen sind in diesem Leitfaden z. B. Medikamenten-, Alkohol- und Drogenabhängigkeit sowie Essstörungen.

Das heißt: Rauchen wird offiziell immer noch als eine Art der psychischen Abhängigkeit definiert und nicht als Suchterkrankung.


Krankheit

  • gemäß § 27 Sozialgesetzbuch V erstatten die Krankenkassen Kosten für die Behandlung einer Krankheit
  • Der Begriff Krankheit wird aber im Gesetz nicht definiert.

Sucht

  • Als Suchterkrankungen bezeichnet man einen u. U. bewusst herbeigeführten „regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand“, der zu Kontrollverlust führt.

[Vgl. Gerkens, Klaus / Meyer, Christina / Wimmer, Dirk (2012): Handbuch Sucht. Prävention und Behandlung. Rechtsgrundlagen und Rechtsprechung. Sankt Augustin.]

Handlungsbedarf des Gesetzgebers

Der Zusammenhang zwischen dem Rauchen und verschiedenen Krankheiten wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. Der Nutzen von Therapien bleibt umstritten. Die grundsätzliche Therapierfähigkeit von ehemaligen Rauchern ist gemäß Sozialgesetzbuch eine Behandlungssvoraussetzung. Obwohl der Nutzen bestimmter Methoden nachgewiesen werden kann, muss die Therapiefähigkeit von nikotinabhängigen Menschen angezweifelt werden, solange Definitionen von Krankheit und Sucht fehlen. Hier müsste die Bundesregierung klare Aussagen treffen, um die Gesetzeslage zu klären.

Momentan stellt sich die deutsche Gesetzgebung so dar: Krankenkassen zahlen nicht für „Arzneimittel […], bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht.“ [vgl. SGB V §34, Abs. 1]

Wieso nicht? Die Ansprüche, Rechte und Pflichten von Ärzten, Kassen und Versicherten [vgl. SGB V §92, Abs. 1] schließen bestimmte Arzneimittel aus, die Krankenkassen nicht bezahlen müssen. Grund: Die Solidargemeinschaft soll nicht mit unwirtschaftlichen Ausgaben belastet werden, damit die Beitragsstabilität gewährleistet bleibt.
Bemerkenswert: Die Kosten, die durch Tabakrauchen entstehen, betragen für Deutschland jährlich 21 Milliarden Euro, und gesetzliche Krankenkassen werden finanziell erheblich belastet.

Denkbar sind Gesetzesänderungen, die den Passus zur Raucherentwöhnung betreffen (§34, Abs.1 aus dem SGB V). Laut Sozialgesetzbuch ist die Frage nach Rauchen oder Nichtrauchen einzig eine Frage der Lebensqualität, nicht der Gesundheit.

Wenn Sie über kommunikative Maßnahmen im Hinblick auf das Rauchen nachdenken oder an Kampagnen arbeiten, die mit der Wahrnehmung von Gesundheitsprodukten zu tun haben, schreiben Sie uns. Der Wissensdienstleister NIMIRUM erarbeitet für Sie umfangreiche Recherchen über Trends, Märkte und Zielgruppen. Dazu nutzt NIMIRUM sein Expertennetzwerk von über 350 Wissenschaftlern weltweit. Anja Mutschler, Inhaberin von NIMIRUM, steht Ihnen gern zur Verfügung. Sie erreichen sie unter 0341 / 580 680 73 oder per Mail an frage@nimirum.info.

NIMIRUM on FacebookNIMIRUM on TwitterSign up for our Infoletter


Links

Themen

  • Geisteswissenschaften

Kategorien

  • health
  • trendanalyse

Regionen

  • Berlin

Kontakt

Anja Mutschler

Pressekontakt GF GF, PR 0341 / 424 82 101

Zugehörige Meldungen